Zehn Technologien die unsere Zukunft prägen könnten
Wie lassen sich globale Herausforderungen mit neuen Technologien besser bewältigen? Diese Frage steht hinter dem Bericht «Top 10 Emerging Technologies of 2025», den das Wolrd Economic Forum im Sommer veröffentlicht hat. Hier die zehn-Top Technologien im Überblick.
1. Strukturelle Batterien
Strukturelle Batterien speichern elektrische Energie und tragen gleichzeitig mechanische Lasten. Statt wie bisher getrennte Module für Energie und Struktur zu bauen, wird die Batterie selbst Teil des Fahrzeugs oder Flugzeugs. Carbonfasern und Epoxidharze können Strom speichern und zugleich Gewicht tragen – was Gewicht, Material und Energie spart. Noch sind die Energiedichten gering, doch der Ansatz könnte Transportmittel fundamental verändern: Karosserieteile oder Flugzeugflügel würden zugleich als Energiespeicher dienen.
2. Osmotische Energiesysteme
Osmotische Kraftwerke gewinnen Energie aus Salzkonzentrationsunterschieden zwischen Süss- und Salzwasser. Neue Membranmaterialien machen das Prinzip wirtschaftlich interessant: An Küsten, bei Entsalzungsanlagen oder Geothermiequellen entsteht so eine stetige, wetterunabhängige Energiequelle. Die Technik könnte bis zu einem Fünftel des globalen Strombedarfs decken und gleichzeitig Wasserreinigung und Ressourcengewinnung – etwa Lithium oder Stickstoff – integrieren.
3. Fortgeschrittene Nukleartechnologien
Kleine modulare Reaktoren (SMRs) und gasgekühlte Generation-IV-Reaktoren sollen die Atomkraft flexibler, sicherer und günstiger machen. Ihre Module lassen sich industriell fertigen und vor Ort zusammensetzen. Sie könnten abgelegene Regionen versorgen oder Prozesswärme für Wasserstoffproduktion liefern. Langfristig bleibt auch die Kernfusion im Blick. Voraussetzung für gesellschaftliche Akzeptanz sind Transparenz, Sicherheitsstandards und Cyber-Sicherheit in zunehmend digitalisierten Anlagen.
4. Lebende Therapeutika
«Engineered Living Therapeutics» sind gentechnisch programmierte Mikroorganismen, die im Körper Wirkstoffe produzieren. Statt Medikamente extern herzustellen, würden sie direkt im Patienten gebildet – kostengünstig und präzise dosiert. Erste klinische Studien prüfen den Ansatz bei Diabetes, Krebs oder chronischen Wunden. Regulatorische Sandboxes und biologische Sicherheitsmechanismen sollen Risiken minimieren.
5. GLP-1-Medikamente
Wirkstoffe aus der Klasse der GLP-1-Rezeptoragonisten, bekannt aus Diabetes- und Adipositastherapien, zeigen Potenzial gegen Alzheimer und Parkinson. Sie reduzieren Entzündungen und oxidativen Stress im Gehirn und könnten Krankheitsverläufe verlangsamen. Gelingt der Nachweis in laufenden Studien, wäre das ein Paradigmenwechsel: von der reinen Symptombehandlung hin zur tatsächlichen Krankheitsmodifikation – mit enormer gesellschaftlicher und ökonomischer Bedeutung.
6. Autonome biochemische Sensorik
Neue Biosensoren können biochemische Parameter kontinuierlich messen – von Entzündungsmarkern im Blut bis zu Schadstoffen im Wasser. Sie arbeiten selbständig, drahtlos und oft energieautark. Das eröffnet Perspektiven für Umweltüberwachung, Lebensmittelsicherheit und personalisierte Medizin. Langfristig könnten solche Sensor-Netzwerke ein Frühwarnsystem für Mensch und Ökosystem bilden – sofern Datenschutz und Datensouveränität gewährleistet sind.
7. Grüne Stickstofffixierung
Die Herstellung von Ammoniak für Düngemittel verursacht derzeit rund zwei Prozent des weltweiten Energieverbrauchs. Neue Verfahren nutzen statt Erdgas elektrische oder biologische Prozesse, um Stickstoff aus der Luft in Ammoniak umzuwandeln – klimaneutral und dezentral. Das erlaubt lokale Düngerproduktion mit erneuerbarer Energie und könnte gleichzeitig Schifffahrt und Energiespeicherung mit «grünem Ammoniak» versorgen.
8. Nanozyme
Nanozyme sind nanostrukturierte Materialien, die wie Enzyme chemische Reaktionen katalysieren, aber robuster und günstiger herzustellen sind. Sie funktionieren unter extremen Bedingungen und könnten in Medizin, Umwelttechnik und Industrie neue Möglichkeiten eröffnen – etwa bei der Wasseraufbereitung, in Biosensoren oder in der Krebstherapie. Noch fehlen standardisierte Sicherheits- und Zulassungsprozesse, doch der Markt wächst rasant.
9. Kollaborative Sensorik
Wenn Fahrzeuge, Gebäude und Geräte ihre Sensoren vernetzen, entsteht ein kollektives Wahrnehmungssystem. Solche «Collaborative Sensing»-Netzwerke könnten Verkehrsflüsse optimieren, Produktionsanlagen resilienter machen oder Katastrophenschutz verbessern. Die Herausforderung liegt weniger in der Technik als im Datenschutz, in der Interoperabilität und im Vertrauen in gemeinsam genutzte Daten.
10. Generative Wasserzeichen
Generative Wasserzeichen sollen helfen, Inhalte, die mit KI erzeugt wurden, als solche erkennbar zu machen. Sie fügen unsichtbare Signaturen in Text, Bild oder Ton ein, ohne den Inhalt zu verändern. Damit könnten sich Echtheit und Urheberschaft digitaler Werke verifizieren lassen – ein entscheidender Schritt im Kampf gegen Desinformation und Deepfakes. Entscheidend wird sein, internationale Standards und robuste, fälschungssichere Verfahren zu etablieren.
Ein Blick nach vorn
Das WEF betont, dass keine der Top-10-Technologien isoliert betrachtet werden kann. Sie entstehen in einem komplexen Umfeld aus politischer Regulierung, gesellschaftlicher Akzeptanz und ökonomischer Tragfähigkeit. Der Bericht führt dafür sogenannte «Ecosystem Readiness Maps» ein – Radar-Diagramme, die zeigen, wie weit die Rahmenbedingungen in den Bereichen Gesellschaft, Technik, Umwelt, Wirtschaft und Politik entwickelt sind.
In Zeiten geopolitischer Spannungen und fragmentierter Lieferketten könnten viele dieser Technologien doppelt relevant werden: als Instrumente der Resilienz und als Brücken für internationale Kooperation. Ob strukturelle Batterien, grüne Ammoniakprozesse oder biotechnologische Therapien – sie alle verweisen auf eine Zukunft, in der Energie, Gesundheit und Vertrauen neu organisiert werden müssen.
Am Ende bleibt der Appell der Autoren: Technologie allein löst keine Probleme. Erst durch verantwortungsvolle Anwendung, internationale Zusammenarbeit und mutige Politik kann aus Innovation gesellschaftlicher Fortschritt werden.
Beitrag von: Hendrik Thielemann
Bildquelle: Chalmers / H. Sandsjö