Zementproduktion ohne CO2-Emissionen
Bei der Herstellung von Zement entsteht zwangsläufig Kohlendioxid. Damit dieses Gas nicht das Klima schädigt, muss es abgeschieden und dann wiederverwendet oder deponiert werden. Für die CO2-Abscheidung wollen Zementproduzenten künftig unter anderem das sogenannte Oxyfuel-Verfahren nutzen. Ein Konsortium mit Beteiligung des Zementkonzerns Holcim hat dafür Schlüsselkomponenten entwickelt.
Nach Auskunft des Branchenverbands Betonsuisse ist Zement der meistverwendete Werkstoff überhaupt. Zement ist ein Hauptbestandteil von Beton und damit unentbehrlich für die Errichtung stabiler Bauwerke. Die Kehrseite: Bei der Zementproduktion entsteht das Treibhausgas CO2. Die Zementindustrie ist nach der Stahlproduktion die zweitgrösste industrielle CO2-Emissionsquelle. Sie ist in Europa für rund einen Viertel der CO2-Emissionen des Industrie-Sektors verantwortlich.
Die Zementherstellung benötigt viel Energie, die bislang oft von fossilen Energieträgern stammt. Der CO2-Ausstos kann gemindert werden, indem man für die Wärmeerzeugung Kohle, Erdöl und Erdgas durch alternative Brennstoffe ersetzt, die keine oder zumindest weniger Treibhausgase verursachen. Gerade die Schweizer Zementindustrie hat in dieser Richtung schon erhebliche Anstrengungen unternommen und steht beim Einsatz alternativer Brennstoffe mit einem Anteil von 67 Prozent besser da als viele Zementwerke im Ausland.
Unvermeidliche CO2-Quelle
Doch selbst wenn die Wärme zur Gänze mit fossilfreien Brennstoffen erzeugt wird, emittiert ein Zementwerk noch immer beträchtliche Mengen an CO2. Das liegt an der sogenannten Kalzinierung, einem wichtigen Prozessschritt bei der Herstellung von Zementklinker, dem Hauptbestandteil von Zement: Hierbei wird fein gemahlener Kalkstein mit weiteren Stoffen auf 900 °C erhitzt, wobei das darin enthaltene CO2 freigesetzt wird, und danach bei 1450 °C zu Zementklinker gebrannt. Das freigesetzte CO2 macht 15 bis 20 Prozent der gesamten Abgase aus.
Die Entstehung von CO2 bei der Kalzinierung ist unvermeidlich. Um die Abgabe von Treibhausgas an die Umwelt zu unterbinden, muss es an der Quelle eingesammelt und anschliessend als Rohstoff wiederverwertet oder in einer geeigneten Lagerstätte deponiert werden. Das mit CO2 angereicherte Gas muss vor Transport, Speicherung bzw. Wiederverwendung auf eine dafür geeignete Qualität gebracht werden.
Die Gewinnung von möglichst reinem CO2 aus dem Abgasstrom der Kalzinierung ist auf verschiedene Arten möglich. Besonders gut gelingt sie, wenn für die Kalzinierung die sogenannte Oxyfuel-Verbrennung eingesetzt wird: Hier wird für die Kalzinierung nicht Luft benutzt, sondern reiner Sauerstoff. Mit diesem Kunstgriff entsteht ein Abgas mit einem CO2-Gehalt von 80 bis 90 Prozent (gegenüber 15 bis 20 Prozent bei der herkömmlichen Herstellung von Zementklinker). Das CO2-reiche Abgas wird abgekühlt, von Fremdgasen und Wasserdampf weitgehend gereinigt und verflüssigt. Damit lässt sich das Treibhausgas als Rohstoff (z.B. für die Plastikproduktion oder für Baumaterialien) wiederverwenden oder in einer geeigneten Lagerstätte deponieren.
Internationales Forschungsprojekt
Um die Anwendung des Oxyfuel-Verfahrens in der Zementherstellung zu beschleunigen, gründeten im Jahr 2019 elf akademische und industrielle Partner aus fünf europäischen Ländern ein Konsortium unter dem Akronym AC2OCem. Von Schweizer Seite ist der Zementkonzern Holcim beteiligt. Finanziert wurde das fünfjährige Projekt aus dem EU-Programm ACT. Das Bundesamt für Energie unterstützte den Forschungsverbund aus seinem Pilot- und Demonstrationsprogramm.
Im Rahmen des Projekts wurden an einer Pilotanlage an der Universität Stuttgart Verbrennungsexperimente mit 100 Prozent alternativen Triebstoffen mit Oxyfuel-Verbrennung durchgeführt. Dabei wurde unter anderem ein besseres Verständnis des Prozesses gewonnen. «Die Ergebnisse aus dem Projekt haben bestätigt, dass die Oxyfuel-Verbrennung eine der vielversprechendsten Lösungen ist», sagt Holcim-Projektleiter Mirko Weber. Holcim will die Technologie einsetzen, um die Zementwerke in Lägerdorf nördlich von Hamburg und Obourg (Belgien) bis 2028/29 so umzurüsten, dass sie in Summe aller Massnahmen keine Treibhausgase mehr an die Umwelt abgeben.
Für Nachrüstung und Neuanlagen
Die Oxyfuel-Technologie kann zur Nachrüstung bestehender Kalzinierungsanlagen eingesetzt (1. Generation) oder beim Bau von Neuanlagen herangezogen werden (2. Generation). Die beiden Generationen verwenden eine unterschiedliche Prozessführung. So wird bei der 1. Generation das Rauchgas teilweise in den Brennraum zurückgeführt, beim der 2. Generation nicht. Die 1. Generation erreicht im Abgasstrom gemäss den im AC2OCem-Projekt erstellten Simulationen eine CO2-Konzentration von 80 Prozent, die 2. Generation von rund 90 Prozent. Im Rahmen des AC2OCem-Projekts wurden beide Verfahren mit Simulationen und Experimenten untersucht. Es wurde überdies ein Leitfaden für die Nachrüstung bestehender Anlagen erarbeitet. Auch wurde für die 2. Generation ein neuer Ofenbrenner entwickelt und praxisnah erprobt.
Die Weiterentwicklung der Oxyfuel-Technologie bis zur Anwendungsreife geht mit zahlreichen technischen Herausforderungen einher. So bedarf es beispielsweise einer Nachbehandlung, um das CO2 aus im Abgasstrom zu extrahieren. Hierfür müssen Dampf, Stickoxide und Schwefeldioxid aus dem Abgas entfernt werden.
Mehrkosten und höherer Energieverbrauch
Mit der Oxyfuel-Technologie verbindet sich die Hoffnung auf eine vergleichsweise kostengünstigste Lösung zur CO2-Abscheidung. Im Rahmen des Projekts wurden unter anderem die Kosten für die Nachrüstung von zwei bestehenden Zementwerken in Deutschland und in Schweden abgeschätzt. Demnach muss pro Tonne Zementklinker mit Mehrkosten von 49 bis 63 EUR gerechnet werden – mehr als seinerzeit in der EU-finanzierten Cemcap-Studie (2015 – 2018) errechnet. Dazu hält der Schlussbericht fest: «Die höheren Kosten sind auf ein besseres Verständnis der Komplexität der Änderung bestehender Anlagen, höhere Investitionskosten für die CO2-Aufreinigungseinheit, mehr Realismus durch die Verwendung nachgebauter bestehender Anlagen, allgemein höhere Kosten für Rohstoffe und einen erweiterten Umfang durch die Einbeziehung von Pipelines und CO2-Puffertanks zurückzuführen.»
Wird die Oxyfuel-Technologie in ein neues Zementwerk eingebaut, liegen die Kosten etwas tiefer als bei der Nachrüstung bestehender Werke. Ein wichtiger Einflussfaktor sind die Energiekosten, denn die CO2-Abscheidung braucht viel Strom: Ein Zementwerk mit Oxyfuel-Kohlenstoffabscheidung der 2. Generation braucht rund viermal so viel Strom wie ein herkömmliches Zementwerk (33 gegenüber 8 MW). Holcim arbeitet darauf hin, die Kosten zu optimieren, zählt aber auch auf die Unterstützung durch Fördergelder, beispielsweisse aus dem EU Innovation Fund. Bis 2030 will Holcim weltweit jährlich 8 Mio. t dekarbonisierten Zement herstellen. Zum Vergleich: Die sechs Schweizer Zementwerke haben eine Produktionskapazität von 5 Mio. t pro Jahr.
Beitrag von: Benedikt Vogel im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)
Bildquelle: Holcim