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Flaute und kein Land in Sicht

Sinkende Umsätze, leere Auftragsbücher, Arbeitsplatzabbau: Die Lage in der Schweizer Tech-Industrie ist schlecht wie lange nicht mehr. Die Probleme sind nicht hausgemacht, doch das hilft wenig, wenn die wichtigsten Absatzmärkte in einer strukturellen Krise stecken und die geopolitische Lage sich immer weiter zuspitzt.

Industriearbeiter (Symbolbild). Die Schweizer Industrie steht unter Druck. | © Istockphoto
Industriearbeiter (Symbolbild). Die Schweizer Industrie steht unter Druck. Die anhaltende Schwäche wichtiger Absatzmärkte bedroht das Geschäft und die Arbeitsplätze in der Schweiz.

Dieses Weihnachtsgeschenk stand auf keinem Wunschzettel: Knapp eine Woche vor Heiligabend informierte Dätwyler seine Mitarbeitenden über ein umfassendes «Transformationsprogramm». Was sich hinter diesem PR-Begriff in den allermeisten Fällen verbirgt, ist bekannt: Entlassungen. Wie viele der rund 8000 Dätwyler-Mitarbeitenden es treffen wird – und wo – ist noch unklar. Genaueres will der Industriekonzern im Februar bekannt geben. 

 

Dätwyler befindet sich in illustrer Gesellschaft: Bei Trumpf in Grüsch (GR) sind seit einem Jahr über 300 Mitarbeitende in Kurzarbeit. Der Chemiekonzern Syngenta streicht am Hauptsitz in Basel 150 Stellen. Der Maschinenbauer Bystronic kündigte an, weltweit 500 Stellen abzubauen, davon 80 in der Schweiz. Die Liste liesse sich fast beliebig verlängern. Sie reicht von der verbliebenen Stahlindustrie über Autozulieferer bis zur Biotechnologie.

Absatzmärkte schwächeln

Kein Zweifel, die Schweizer Industrie steht unter Druck. Die Gründe liegen vor allem in der anhaltenden Konjunkturschwäche der EU und insbesondere Deutschlands. Der wichtigste Absatzmarkt der hiesigen Technologieunternehmen steckt in einer tiefen Krise. Hohe Energiepreise infolge des Ukraine-Krieges machen der Industrie zu schaffen. Weitaus schlimmer dürfte ins Gewicht fallen, dass die Autoindustrie jahrelang den Wandel zur Elektromobilität verschlafen hat. Die hausgemachten Probleme der deutschen Autobranche belasten die Schweizer Zulieferer massiv, und in anderen wichtigen Absatzmärkten sieht es nicht viel besser aus.

 

Die anhaltend schwache Konjunktur beginnt, sich negativ auf den Arbeitsmarkt auszuwirken. Bereits seit rund zwei Jahren verzeichnet das SECO einen kontinuierlichen Anstieg der Arbeitslosenquote. Laut Arbeitsmarktbericht des SECO stieg die saisonbereinigte Arbeitslosenquote im vergangenen Jahr von 2,2 Prozent im Januar auf 2,6 Prozent im Dezember 2024. Das mag auf den ersten Blick undramatisch erscheinen, bedeutet aber rund ein Fünftel mehr Arbeitslose als im Vorjahr. Zudem ist die Industrie ­überproportional betroffen. In der chemischen Industrie stieg die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 29,2 Prozent, im Maschinenbau um 37,9 Prozent, in der Elektroindustrie gar um 41,0 Prozent.

«Im besten Fall können wir 2025 mit einer Stabilisierung rechnen.» Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher

Wie man sieht, lässt sich mit solchen Statistiken trefflich jonglieren. Und auch bei der Interpretation gibt es jede Menge Freiraum: «Die Arbeitskräfteknappheit entspannt sich leicht. Die Arbeitslosenquote verbleibt […] tief», schrieb beispielsweise Economiesuisse in einer Medienmitteilung im Dezember.

 

Bei Swissmem, dem Branchenverband der Tech-Industrie, sieht man das weniger gelassen: Die schwierige Lage drohe sich zunehmend auf die Beschäftigung in der Tech-Industrie auszuwirken. «Unsere Beratungen zu Stellenabbau und Kurzarbeit haben in den letzten Wochen deutlich zugenommen», berichtete Swissmem Direktor Stefan Brupbacher im November. «Bisher haben nur wenige Firmen die Anzahl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reduziert, weil sie ihre Fachkräfte halten wollen. Ich befürchte jedoch, dass es nun vermehrt zu Kurzarbeit und Entlassungen kommen wird».

 

So unterschiedlich die Bewertungen der aktuellen Lage ausfallen, so einig sind sich die Akteure bei ihrer Einschätzung der kurzfristigen Zukunftsaussichten: Besser wird es nicht. Economiesuisse rechnet insgesamt mit nur schwach steigenden Waren- und Dienstleistungsexporten in diesem Jahr. «Im besten Fall können 2025 mit einer Stabilisierung rechnen», meint auch Swissmem-Direktor Brupbacher. «Sollte es zwischen den USA, China und der EU zu einem Handelskrieg kommen, würde dies die Schweizer Tech-Industrie, welche 80 Prozent ihrer Produkte exportiert, hingegen weiter nach unten ziehen.» 

Altbewährte Konzepte sollen helfen

Was kann die Schweiz tun, um die Situation ihrer Technologieindustrie zu verbessern? Man setzt vor allem auf altbewährte Konzepte: Keine Interventionen, freier Handel, gute Rahmenbedingungen. «Damit die Wirtschaft florieren kann, muss sich die Schweiz wieder auf ihr bewährtes Wirtschaftsmodell zurückbesinnen», sagte etwa Swissmem-Direktor Brupbacher am ETH-Konjunkturforum im vergangenen November. Stattdessen setzt man bei Swissmem auf die Diversifizierung der Exportmärkte: Die Schweizer Industrie müsse global exportieren können. Die Wahl zwischen einem der Blöcke müsse verhindert werden und mit aussenpolitischen Forderungen an Schwellenländer solle die Schweiz sich zurückhalten. So schaffe es die Schweiz unter dem Radar der Grossmächte zu bleiben und könne möglichst viele Freihandelsabkommen abschliessen.

Gute Chancen trotz vieler Herausforderungen

Ein paar Hausaufgaben hat die Schweizer Industrie aber doch zu erledigen. «Es gibt viele Herausforderungen für Schweizer Industrieunternehmen, die Aussichten auf mittel- und langfristiges Wachstum sind aber gegeben», schreibt Deloitte-Experte Peter Vickers in einem Beitrag auf der Webseite der Unternehmensberatung. Die Industrieunternehmen der Schweiz seien zwar führend bei Technologie und Qualität, die globale Qualitätslücke schliesse sich jedoch. Digitale Lösungen böten die Möglichkeit, sich von der Konkurrenz abzuheben.

 

Auch das Thema Nachhaltigkeit biete Chancen. Schweizer Industrieunternehmen müssten sich frühzeitig entscheiden, welche Rolle sie bei der Energiewende spielen wollen. Auch der vermehrte Einsatz von künstlicher Intelligenz könne den Industriesektor wettbewerbsfähiger machen. Schweizer Hersteller haben laut Vickers nur noch wenig Zeit, um in KI-Lösungen zu investieren und die Weichen für ihre digitale Zukunft zu stellen – sonst laufen sie Gefahr, den Anschluss komplett zu verpassen. 

Zürich 05.02.2025
Beitrag von: Hendrik Thielemann
Bildquelle: Swiss Steel Group

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