47 Windräder sind zu wenig
Die Schweiz nutzt ihr Windpotenzial bislang kaum – dabei könnte Windkraft künftig bis zu 10 Terawattstunden Strom liefern. Das schreibt Energieversorger Axpo in einem neuen White Paper.
Die Ende April vorgestellte Analyse «Rolle und Potenzial der Windenergie in der Schweiz» zeigt Chancen, Herausforderungen und konkrete Handlungsoptionen für einen verantwortungsvollen Ausbau der Windenergie auf. Sie basiert auf aktuellen Daten des Bundes sowie auf Erfahrungen aus laufenden Projekten im In- und Ausland. Ein Blick nach Österreich zeigt beispielsweise, dass dort mit einer Jahresproduktion von über 7 Terawattstunden (TWh) bereits deutlich mehr in den Ausbau der Windenergie investiert wurde.
«Windenergie ist für die Schweiz kein Nice-to-have, sondern ein zentraler Baustein für eine verlässliche, klimafreundliche Stromversorgung – gerade im Winter. Wir dürfen dieses Potenzial nicht länger ungenutzt lassen, zumal Windenergie eine perfekte Ergänzung zu bestehenden Technologien darstellt und eine der kostengünstigsten ist,» sagt Christoph Brand, CEO der Axpo Group.
Rund 57 TWh Strom hat die Schweiz im vergangenen Jahr verbraucht. Der Stromverbrauch wird bis 2050 durch die Elektrifizierung von Mobilität, Wärme und Industrie auf etwa 90 TWh pro Jahr ansteigen. Laut Bundesamt für Energie beträgt das theoretische Potenzial der Windkraft in der Schweiz 29,5 TWh pro Jahr. Bereits ein Drittel davon – rund 10 TWh – würde einen massiven Beitrag zur inländischen Versorgung leisten. Aktuell liegt die Windstromproduktion bei lediglich 0,2 TWh. In der gesamten Schweiz stehen heute nur 47 Windräder.
Mehr Strom im Winter
Ein zentrales Argument der Axpo für den Ausbau der Windenergie ist ihr saisonales Produktionsprofil: Wind liefert vor allem im Winter Energie, wenn die Photovoltaik schwächelt und die Wasserkraftreserven knapp werden. Mehr als 60 Prozent des Windstroms würden in der kältesten und energieintensivsten Jahreszeit erzeugt. Die räumlich verteilte Produktion und der technologische Fortschritt ermöglichen eine bessere Integration ins bestehende Netz. Zudem sind laut Axpo die Windstrommengen gut prognostizierbar, was ihre Integration in den viertelstündlich operierenden Strommarkt erleichtere. Die Wetterabhängigkeit der Windenergie könne durch Technologien wie Pumpspeicherkraftwerke oder überregionale Stromnetze beherrscht werden.
Grössere Windräder sind effizienter
Moderne Windturbinen erreichen heute dank grösserer Rotordurchmesser, höherer Türme und verbesserter Materialien Leistungen zwischen 5 und 7 MW – deutlich mehr als frühere Anlagen. Grössere Windräder sind effizienter, weil sie mehr Windenergie einfangen können als kleinere Anlagen. Ausserdem stehen sie höher über dem Boden, wo der Wind stärker und gleichmässiger weht. Dadurch steigt die Stromproduktion exponentiell mit dem Rotordurchmesser. Ausserdem sind Bau, Betrieb und Wartung grosser Windkraftanlagen im Verhältnis zur erzeugten Energie kostengünstiger. Zwar sind Bauprojekte in Gebirgsregionen aufgrund der schwierigen Bedingungen aufwendiger, aber grundsätzlich gilt: Je grösser die Anlage, desto effizienter kann sie die vorhandene Windenergie nutzen.
Akzeptanz fehlt noch
Eine Hürde bleibt die gesellschaftliche Akzeptanz. Die Autoren des White Papers plädieren für ein Umdenken im Verständnis von Landschaft: Windturbinen sollen – ähnlich wie Stauseen oder Strommasten – als Teil moderner Infrastruktur wahrgenommen werden. Axpo betont die Bedeutung der lokalen Verankerung: Gemeinden sollen von Pachtzinsen, Steuereinnahmen, Beteiligungen und Fonds profitieren. Auch die Vergabe von Aufträgen an regionale Unternehmen ist Teil der Strategie. Jedes Projekt soll individuell auf die Gemeinde zugeschnitten werden.
Download des White Papers unter www.axpo.com
Beitrag von: Hendrik Thielemann
Bildquelle: Istockphoto