FAEL QUIZ-CORNER: Rätsel #20 - Geschenkverpackung
Wir nähern uns der Geschenksaison. Dabei soll es für einmal weniger um den Inhalt als um die Verpackung gehen...
Wir bringen Ingenieure:innen aus den Bereichen Elektronik, Elektrotechnik und Informatik zusammen.
Wir fördern den Kontakt und den Austausch von Know-how mit ausgewählten Weiterbildungen, Firmenbesuchen, Fachveranstaltungen und Studienreisen. Bei diesen Anlässen treffen sich Gleichgesinnte; von jungen, innovativen Studienabgänger bis zu erfahrenen, gut vernetzten Spezialisten.
Als firmenunabhängige Organisation pflegen wir den Kontakt zu Hochschulen, Behörden und Partnerorganisationen. So sind wir in der Lage, unseren Mitgliedern immer aktuelles Wissen und hochstehende Anlässe zu bieten.
Wir publizieren regelmässig technische Artikel und Ingenieurrätsel. Es würde uns freuen, wenn wir Ihren Ehrgeiz wecken und Sie für die Rätsel begeistern können! Viel Spass...
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Autor: Christian Schmidli
Vor 150 Jahre haben Schweizer Uhrmacher Bestandteile ihrer Uhren im Schnee gelagert, um Verschleiss und Genauigkeit zu verbessern. Seit den 40er-Jahren des letzten Jahrhunderts lagerten Werkzeugmacher ihre Bearbeitungswerkzeuge monatelang in Tiefkühlboxen – mit dem Ziel, die Lebensdauer der Werkzeuge zu verlängern und diese zu stabilisieren. Im gleichen Zeitraum, während des Zweiten Weltkrieges, wurde beobachtet, dass präzise Messinstrumente genauer funktionieren, wenn man sie bis minus 78 Grad Celsius kühlte – bei minus 184 Grad Celsius wurde sogar eine komplette Stabilisation erreicht. Es wurde erkannt, dass sich die Messfehler nachhaltig reduzieren lassen. Im Motorenbau erkannte man (BMW, Rolls Royce), dass sich kühl oder auf längere Zeit gelagerte Motorenblöcke im späteren Betrieb günstiger verhielten als neu hergestellte Blöcke.
Seit den 1950er-Jahren wurde die kontrollierte Tieftemperatur-Kühltechnik angewandt, um Werkzeuge aus kohlenstoffhaltigen Materialien zur Metallbearbeitung zu verbessern. Die Folge war, dass die Stahlindustrie die Tiefkühlbehandlung in Frage stellte, weil aus ihrer Sicht Stahl nur verkauft und nicht unbedingt verbessert werden sollte. Dies führte dazu, dass die kontrollierte Kühltechnik mehrheitlich von einzelnen Firmen und unabhängig voneinander vorangetrieben wurde. Die Gründe gegen eine weitere Entwicklung der Tiefkühltechnik nahmen noch zu, wenn der Kühlprozess falsch angewandt wurde. Ein fehlgeleiteter und unkontrollierter Prozess führte zu Beschädigung des Materials und zur Verringerung von dessen Lebensdauer. Ein umso grösseres Problem, wenn man in Betracht zieht, noch tiefer als minus 78 Grad Celsius zu kühlen. Die industrielle Entwicklung hat massgeblich dazu geführt, dass die Tiefkühltechnik insbesondere als Teil der Wärmebehandlung anerkannt worden ist und aus diesem Grund auch in traditionellen Wärmebehandlungsfirmen betrieben wurde.
Die gängige technische Bezeichnung des Prozesses der Tiefkühlbehandlung ist Kryogenik (Cryogenics in Englisch) oder Kryogenik-Prozess. Kryogenik muss von Kryonik unterschieden werden. Letztere bezieht sich auf einen Prozess, bei welchem Lebewesen tiefgekühlt werden – mit dem Ziel, diese zu einem späteren Zeitpunkt wieder ins Leben zurückzuholen. Bei unserem Verfahren geht es ausschliesslich um die Kryogenik. Dabei behandeln wir Materialien in Serien. Wir betreiben jedoch auch Untersuchungen des Einflusses von sehr niedrigen Temperaturen auf Leichtmetalle, Kunststoffe, Keramik, Glass et cetera.
Gefrieren von Wasser geschieht bei 0 Grad Celsius. Die tiefste Temperatur, die je in der Schweiz gemessen wurde, liegt gemäss Meteo Schweiz bei minus 41,8° Celsius. In Russland wurden einmal minus 89,2° Celsius gemessen. Der absolute Nullpunkt liegt bei Null Grad Kelvin, oder minus 273,15° Celsius. Beim sogenannten «shallow cryogenic treatment» (SCT) werden Proben minus 78° Celsius ausgesetzt – das dabei verwendete Medium ist Trockeneis. Während beim «deep cryogenic treatment» (DCT) Proben auf minus 196° Celsius gekühlt werden, was vorwiegend durch Flüssigstickstoff in seiner Gasform realisiert wird.
Die Wissenschaft hat bewiesen, dass bei tiefen Temperaturen und je weiter diese sich dem absoluten Nullpunkt nähern, die Bewegungsfreiheit der Atome reduziert wird und diese zum absoluten Stillstand kommen. Es wurde gezeigt, dass «Fehler» in der Atomstruktur ausgeglichen werden, das heisst eine Gefügeoptimierung und Verbesserung vonstatten geht. Je nach Material (kohlenstoffhaltiges Metall, Nichteisen-Metalle, Kunststoffe bis hin zur Biomasse) finden unterschiedliche Prozesse statt. Zum Teil sind diese reversibel, bei anderen stellen sich irreversible Zustände ein – vor allem, wenn die Materialien wieder auf Raumtemperatur erwärmt werden. Man hat erkannt, dass der Prozess der Erwärmung, das heisst das Rückführen von der Tieftemperatur zur Raumtemperatur, wiederum kontrolliert angewandt und in den meisten Fällen mit dem Anlassen des Materials bis 200° Celsius abgeschlossen werden muss.
Kryogenik beeinflusst Materialien in Bezug auf deren Gefüge und Atomstruktur. Aus diesem Grund kann der Prozess bei verschiedenen Materialen angewandt werden. Als anerkannter Industriestandard wird der Prozess meistens bei kohlenstoffhaltigen Metallen (Eisen-Metallen/C-Stählen) erfolgreich angewandt. Es steht dabei im Vordergrund, die Metalle noch härter und stabiler zu machen, indem man den sogenannten Restaustenit in Martensit umwandelt und die Härte homogener verteilt wird. Martensit ist verantwortlich für die nachhaltige Härte, die besonders bei Bearbeitungswerkzeugen wichtig ist (Verlängerung der Standzeit, Formstabilität, erhöhte Belastung). Es hat sich erwiesen, dass zur Restaustenit-Umwandlung eine Temperatursenkung bis minus 78° Celsius schon erhebliche Verbesserung des Materials ergibt. Jedoch wird bei einer Behandlung von minus 78° Celsius bis minus 195° Celsius praktisch eine komplette Umwandlung des Martensit erreicht. Abklärungen haben gezeigt, dass Anbieter von Kühlanlagen und Anwender des Tiefkühlprozesses, wie Härtereien, mit relativ einfachen Stickstoffanlagen oder nur mit Trockeneis arbeiten, um die Kundenbedürfnisse abzudecken. Das heisst, dass der Aufwand zur Kühlung und der Prozess relativ gering gehalten werden.
Werden nun Werkstoffe bei noch tieferen Temperaturen behandelt, so müssen die Prozessparameter strikte eingehalten werden. Ein unkontrolliertes Kühlen mit dem Kühlmittel kann die Materialien beschädigen, weil durch allzu heftigen Schock Mikrorisse entstehen. Dies war mitunter ein Punkt, warum es Widerstand in der Entwicklung des Kryogenik-Prozesses gab und die Gegner der Kryogenik das Verfahren als schadhaft propagierten. Obwohl der Kryogenik-Prozess als erweiterte Temperaturbehandlung angesehen und möglicherweise bei Härtereien angesiedelt werden kann, befassen sich diese nicht unbedingt mit der Technologie. Wie oben erwähnt ist es unabdingbar, den Kälteprozess und das nachfolgende Anlassen korrekt und kontrolliert anzuwenden. Um die Resultate zu verifizieren, braucht man geeignete Messinstrumente. Etwa, um beispielsweise die Atomstruktur/Gefügestruktur zu prüfen, was höhere Investitionen und Technologien erfordert.
Bei Leichtmetallen können durch die Kryogenik innere Spannungen abgebaut werden und Fehler in der Atomstruktur (die ebenfalls zu Spannungen führen) bereinigt werden. Die elektrische und thermische Leitfähigkeit kann dadurch beeinflusst werden. Unsere ersten Untersuchungen haben gezeigt, dass die Eigenschaften von Polymeren positiv beeinflusst werden.
In den letzten 50 Jahren wurde die Kryogenik in verschiedenen Ländern weiter erforscht. Die Studie zeigt, dass vor allem in den USA und in China geforscht wird. Interessanterweise sind beide Länder in der Raumfahrt tätig und befassen sich mit der Entwicklung von Waffensystemen. Ganz aktuell interessiert sich die NASA für die Weiterentwicklung und Umsetzung der Kryogenik. Beide Industrien beruhen auf High Tech, und im Falle der Raumfahrt geht es um Erkenntnisse, die sich mit dem Weltall und den dort vorherrschenden Temperaturen befassen. An der ETH in Zürich befasst man sich mit dem Thema, um bei kryogenischen Verhältnissen verschiedene Materialien zu bearbeiten (zum Beispiel Tiefziehversuche). Das heisst, dass die Erforschung der Kryogenik in der High Tech-Industrie angesiedelt werden muss. Zudem muss es ermöglicht werden, die neu gewonnenen Erkenntnisse anderen Industrien zugänglich zu machen.
Eine weitere High Tech-Domäne, der Motorsport, hat gezeigt, dass Materialien durch die Anwendung der Kryogenik positiv verändert und Leistungsoptimierungen erzielt werden. Als Beispiel kann die Federkonstante von Ventilfedern angeführt werden, Kolben/Ring/Zylindermass bleiben konstant, Getriebeverzahnungen werden optimiert. Als repräsentatives Beispiel kann ein Hochleistungskartrennmotor angeführt werden, der durch die kryogenische Behandlung eine markante Leistungssteigerung erhielt. Bei diesem Motor wurden nacheinander verschiedene Komponenten behandelt (Aluminium-Gehäuse und Zylinder, Grauguss-Zylinderbüchse, Aluminium-Zylinderkopf, geschmiedete Getrieberäder). Nicht nur die Leistung konnte verbessert werden, sondern auch die Drehmomententfaltung über einen Drehzahlbereich von 6000 bis 16000 Umdrehungen pro Minute.
Die oben genannten Beispiele sind in jedem Fall im High Tech-Umfeld anzusiedeln, und die Frage stellt sich, ob es Sinn ergibt, Kryogenik auch in Bereichen anzuwenden, die nicht dem High Tech-Bereich angehören. Diese Frage sollte unbedingt mit einem «Ja» beantwortet werden. Geht es heute nicht um Ressourcen-Knappheit und Optimierung? Genau darum geht es bei der Kryogenik. Sie dient zum Beispiel der Verbesserung der Wärme- und Stromleitfähigkeit, sie bietet verbserte mechanische Eigenschaften und dient ganz allgemein der Ressourcen-Optimierung. Feldversuchen und akademische Forschung haben gezeigt, dass dank der Kryogenik die verschiedensten Materialen und die damit hergestellten Produkte deutlich optimiert werden können. Darum stellen wir unsere Anlage und Wissen auch interessierten Firmen zur Verfügung. Wir sehen ein grosses Potenzial nicht nur bei den verschiedenen Materialien, sondern auch bei Komponenten für Elektromotoren und allgemein E-Mobility, Computer Hardware et cetera. Wir konnten in dem Jahr – seitdem unsere Anlage in St. Gallen in Betrieb ist – interessante Referenzprojekt für renommierte Schweizer Firmen abwickeln.
Es gibt aber auch ganz spassige Projekte: Zum Beispiel durften wir schon Blasinstrumente behandeln. Die Spieler gaben uns dann die Rückmeldung, dass sich die Instrumente freier spielen lassen. Die neugegründete Firma Cserv ist die einzige Firma in der Schweiz, die diese Technologie im genannten Rahmen anbietet. Zurzeit wird ein Helium betriebenes Kryogenik Gerät entwickelt, um Temperaturen bis zum absoluten Tiefpunkt zu erreichen.
Cserv GmbH
Christian Schmidli
Waldgutstrasse 4, 9010 St. Gallen
Tel. 079 779 21 66, cschmidli@cserv.ch
Artikel ist erschienen im Polyscope 09/2022
Präsident
Michael Giger
Dipl.Ing.FH/STV
+41 77 493 93 05
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18. FAEL Herbstseminar "Windenergie"
Windenergie soll auch in der Schweiz dazu beitragen, die Energiewende zu schaffen. Der weltweite Anteil der Windenergie soll von 5% im Jahre 2019 bis ins Jahr 2030 vervierfacht werden. Die Schweiz hinkt im internationalen Vergleich stark hintennach. Bedingt durch diesen Rückstand schlummert also hierzulande ein grosses Potenzial.
Erfahrene Referenten diskutieren die diversen Aspekte der Windenergie.