Ungelöste Fragen mit spannenden Lösungsansätzen

Im Winter zeigt der Davoser See sein Speicherpotenzial auf.
Im Winter zeigt der Davoser See sein Speicherpotenzial auf.

Erneuerbare Energien leisten einen wichtigen Beitrag zur Lösung des CO2-Problems, jedoch unterscheiden sich Angebot und Nachfrage oft. Mit anderen Worten, es werden Energiespeicher gebraucht, welche Tagesschwankungen einerseits und saisonale Unterschiede anderseits ausgleichen können. Verteilte Energiequellen und -speicher, zum Beispiel Klein-PV-Anlagen und Speicherseen wirken sich auf die Netzinfrastruktur aus. Am 17. FAEL-Herbstseminar erläutern fünf Referenten verschiedene Optionen und Aspekte zur Speicherung von Energie.

Autor: Heinz Mathis, OST Ostschweizer Fachhochschule, Rapperswil

Strommangellage und Winterstromlücke sind nur zwei der Begriffe, welche derzeit in den Medien herumgereicht werden, um vor einer potenziell bedrohlichen Situation in ein paar Jahren (oder aus aktuellem Anlass bereits diesen Winter) zu warnen. Glaubt man der Tagespresse, befindet sich die Schweiz aktuell am Anfang einer einzigartigen Anbauschlacht. Im Gegensatz zu früheren Zeiten geht es aber nicht um Kartoffeln, sondern um PV-Anlagen und vielleicht noch Windturbinen. Hauptgrund dafür ist die Klimakrise bzw. der CO2-Überschuss. Der Ukraine-Krieg befeuert den Wunsch nach Alternativen zu Erdöl und Gas zusätzlich. Während aber Öl und Gas beliebig gut gespeichert werden können, gilt das für elektrische Energie nur bedingt. Elektrische Energie steht in drei sehr unterschiedlichen «Bereitschaftsgraden» zur Verfügung: Bandenergie (z.B. Kernkraftwerke welche dauernd laufen), abrufbare Energie (Wasserkraft gehört dank Speicherseen mind. teilweise dazu) und impulsive Formen wie Windenergie und PV-Anlagen. Bei letzterem spricht man auch despektierlich von Flatterstrom.

Es ist diese eher zufällige Form der Energie, welche zumindest eine Speicherung über Stunden nötig macht. Das heisst das Tagesangebot der Energie ist nicht synchron zur Nachfrage. Auf einer grösseren Zeitskala gibt es diese Diskrepanz in noch grösserem Mass: das saisonale Überangebot der Energie (hauptsächlich Sommer) stimmt nicht mit der Nachfrage überein (hauptsächlich Winter).

Saisonale Speicher

Um diesen Missstand zu beheben, möchte Bundesrätin Sommaruga bis 2040 2TWh an zusätzlicher Speichermöglichkeit mit Speicherseen einrichten. Es liegt in der Natur der Sache, dass wir uns unter dieser Zahl kaum etwas vorstellen können. Nun, die potenzielle Energie eines Kubikmeters Wasser beträgt etwa 2.8 kWh gegenüber einer 1000 Meter tiefer liegenden Turbine. Wir brauchen also fast eine Milliarde Kubikmeter. Der Davoser See beispielsweise hat ein Bewirtschaftungs-Volumen von circa 11’500’000 Kubikmeter, wir brauchen also etwa 60 Davoser Seen für Sommarugas Ziel.

Neue Speicherseen werden vehement von Naturschutzkreisen bekämpft. Parameter bei der potenziellen Energie sind Masse und Höhe. Bei der Masse geht es vor allem um den Ausbau bestehender Speicherseen. Interessant ist aber auch die Erhöhung der Höhendifferenz. Natürlich kann der Speichersee nicht einfach nach oben verlegt werden, aber vielleicht die Turbine nach unten. Das tönt auf den ersten Blick unrealistisch. Man versucht dabei auch nicht zwingend, ein bestehendes Kraftwerk zu verlegen, sondern mit einer Mehrfachturbinierung weiter unten nochmals zusätzliche Energie zu gewinnen. Im vorliegenden Beispiel des Davoser Sees (1559 m.ü.M.) wird das Wasser in Klosters auf rund 1200 m.ü.M. turbiniert und läuft dann mit nur wenigen Metern Gefälle in einen Speichersee (Pläviggin) im nächsten Tal. Die bisher letzte Turbine liegt in Küblis auf 822 m.ü.M. Obwohl mit dem ersten Speichersee im Landwassertal und der Turbinen im Prättigau bereits zwei Täler mit Wasserleitungsstollen miteinander verbunden sind, wird das Potenzial des Wassers auf seiner Reise ab Küblis auf den nächsten 280 Höhenmetern aktuell nicht genutzt. Hier setzt das Projekt «Chlus» an. Geplant ist, das Wasser in Küblis zu fassen und via einen 16 Kilometer langen Stollen ins nächste Tal zu bringen, wo es auf einer Höhe von 535 m.ü.M. in Trimmis erneut turbiniert wird.

Kurzzeitige Speicher

Für die kurzfristige Speicherung bieten sich vor allem Batterien an, am besten gleich dort, wo Flatterstrom erzeugt wird, damit das Elektrizitätsnetz möglichst nicht überlastet wird. In der Zwischenzeit setzen Elektrizitätswerke auch containergrosse Batterien ein, welche kurzfristig zur Bufferung genützt werden können.

Weitere Ideen zur Kurzzeitspeicherung von Energie beinhalten auch neue Konzepte wie Gravitationsspeicher. Mit der gleichen Grundfläche eines Schiffscontainers, welche für die Elektrizitätswerke kurzzeitig 1.25 MWh Speicherenergie über Batterien aufnehmen, müsste so ein Kran aber über 120 Meter hoch sein.

Innovative Ideen sind gefragt

Neben Gas als Speicherform, wobei natürlich hier nicht Erdgas gemeint ist, sondern synthetisierte Formen wie Wasserstoff oder Methan, gibt es eine Vielzahl alternativer Möglichkeiten, an denen aktuell geforscht wird. Eine dieser Möglichkeiten basiert auf dem Aluminium-Redoxzyklus. Die Gewinnung von Aluminium ist bekanntlich sehr energieintensiv. Wenn also im Sommer Elektrizitätsüberschuss herrscht, kann diese in Form von Aluminium gespeichert werden, welches dann bei der Oxidation im Winter Wasserstoff und Wärme freisetzt. Wenn die Wärme genutzt werden kann und aus dem Wasserstoff via Brennstoffzelle Elektrizität entsteht, könnte das eine sehr interessante Technologie werden.

Sogenannte Gravitationsspeicher wie der sechsarmige Kran in Castione-Arbedo können als Kurzzeitenergiespeicher herhalten.

Herbstseminar Energiespeicher

Fünf Experten von Hochschulen und aus der Energiewirtschaft erläutern verschiedene, in diesem Text diskutierte Möglichkeiten der Energie-Speicherung anlässlich des 17. FAEL-Herbstseminars vom 9. November 2022. Der Anlass findet an der PH Zürich statt.

Ablauf

  • 17.30 Uhr: Begrüssung, Prof. Dr. Heinz Mathis; Vorstandsmitglied FAEL
  • 17.35 Uhr: CircuBAT: ein Kreislaufmodell für Autobatterien in der Schweiz, Prof. Dr. Andrea Vezzini, BFH Berner Fachhochschule
  • 18.00 Uhr: Netzsicherheit und Speicher, Dr. Jörg Spicker, Swissgrid
  • 18.25 Uhr: Aluminium Redox-Zyklen für die Produktion von Wärme und Strom, Dr. Michel Haller, OST Ostschweizer Fachhochschule
  • 18.50 Uhr: Wasser-Recycling: Die Kraftwerkskaskade «Chlus», Gian Paolo Lardi, Repower AG
  • 19.15 Uhr: Brennstoffzellen: Warum und wofür?, Prof. M. Höckel, BFH Berner Fachhochschule
  • 19.40 Uhr: Apéro, gesponsert von IEEE und FAEL

Anmeldung

Online unter https://fael.ch/herbstseminar2022
per e-mail an fael@swissengineering.ch

Anmeldeschluss: 7. November 2022

Ort / Kosten

9. November 2022, 17:30 bis 19:40 Uhr, PH Zürich, Raum LAA-G001 (Lagerstrasse 2)
CHF 30.00 / CHF 20.00 (für Mitglieder Swiss Engineering, Electrosuisse, IEEE, SATW, SSSE, SwissT.net, TGZ)

Infoservice

Prof. Dr. Heinz Mathis
Institutsleiter ICOM
Tel. 058 257 45 95 heinz.mathis@ost.ch, www.ost.ch/icom

 

Artikel ist erschienen im Polyscope 10/2022