Neue Trends bei der Satellitennavigation - GPS bekommt Gesellschaft
Im November 2006 fand das Seminar «GPS und Galileo» statt. Sechs Vertreter von Hochschulen und der Industrie referierten über Grundlagen und Anwendungen von satellitenbasierter Ortung und Navigation.
Autor: Heinz Mathis, Vorstandsmitglied Swiss Engineering Fachgruppe Elektronik und Informatik
Grundlegendes
Den Grundstein zum Verständnis der nachfolgenden Vorträge legte Jean-Marie Zogg, Professor an der HTW Chur. Er ging in seinen Ausführungen nicht nur auf die aktuellen satellitenbasierten Navigationssysteme ein, sondern beleuchtete auch, wie deren Zukunft aussehen wird: Bestehende Systeme wie GPS und das russische Glonass werden mit neuen zivilen Signalen ergänzt. Das europäische Pendant Galileo wird bis zum Jahre 2011 zu einem unabhängigen System aufgebaut. Wie einige seiner Nachredner äusserte sich auch Jean-Marie Zogg kritisch gegenüber den Genauigkeitsparametern, die Galileo vorausgesagt werden, und mit denen derzeit die Werbetrommel für Galileo gerührt wird.
Aktuelle Chip-Entwicklung
Andreas Thiel, Gründungsmitglied und Leiter der Hardwareentwicklung der Firma U-Blox AG, schilderte die aktuelle Situation bei der Chip-Entwicklung für GPS/Galileo im Konsumentenbereich. Der anspruchsvollste aller Kunden ist der Handy-Benützer: An jedem Ort, an dem sein Handy funktioniert, will er auch eine Position empfangen. Dabei nimmt er keine Rücksicht auf eine spezielle Ausrichtung der Antenne oder er deckt die Antenne eventuell sogar ab. Ausserdem ist ein Mobiltelefon ein Gerät, bei dem Preis, Stromverbrauch und Abmessung grosse Einschränkungen für zusätzliche Funktionen wie die Ortung bedeuten. Dass in einem Handy Pegelunterschiede von über 190 dB entstehen, (GSM sendet mit 2 Watt, schwache GPS-Signale haben schon mal Pegel von –160 dBm), hilft nicht gerade. Trotzdem können mit massiver Signalverarbeitung Genauigkeiten erreicht werden, die sehr viel besser sind, als die GPS-Spezifikation dies eigentlich vorsieht.
Relative Position
In Fällen, in denen GPS nicht verfügbar ist (beispielsweise in Tunnels oder Strassenschluchten), können relative Positionierungssysteme vor allem bei der Fussgängernavigation wertvolle Dienste leisten. Peter Raemy, Professor an der Ingenieurschu le Biel, präsentierte Lösungen, die mit Hilfe von elektronischem Kompass, Beschleunigungssensoren und Schrittzählern arbeiten. Positionsfehler solcher relativer Positionierungssysteme können allerdings bei 10 Minuten Laufzeit auf bis zu 100 m anwachsen. Wird das Gerät mit GPS-Messungen alle paar Sekunden kalibriert, sind jedoch Genauigkeiten zu erreichen, die es beispielsweise einem sehbehinderten Menschen erlauben, eine Haustüre zu finden. Peter Raemys Ausführungen beendeten den ersten Teil des Seminars, das auf die Grundlagen der Thematik ausgerichtet war. Im zweiten Teil ging es um Anwendungen von satellitenbasierter Ortung.
Chip für die Verkehrstelematik
Jürg Uhlmann, Mitglied der Geschäftsleitung der Fela Management AG, berichtete über drei Anwendungen von GPS in der Verkehrstelematik: Fahrgastinformation im öffentlichen Nahverkehr, Überwachung von Gütertransporten und Verkehrsdichteerfassung. Gemeinsam ist all diesen Anwendungen, dass sie GPS-Po- sitionen über ein GSM-Netzwerk an einen Server übertragen. Vor allem die Überwachung von Gütertransporten stellt dabei hohe Ansprüche an die Geräte. Muss sie doch während 2 bis 6 Jahren mit einer einzigen Batterieladung funktionieren. Die Erfassung der Verkehrsdichte ist vor allem für Städte interessant, die zonenbezogene Strassenzölle eingeführt haben (beispielsweise London mit der sogenannten congestion charge). Mittels Simulation wurde ermittelt, dass mit Galileo-Satelliten zwar eine leicht höhere Verfügbarkeit des kombinierten GPS/Galileo-Ortungssystems zu erwarten sein dürfte, die Positionsgenauigkeit deswegen aber nicht wesentlich besser werde.
Tracker für den Sport
Mit dem gleichen Grundprinzip arbeitet ein sogenannter Tracker für Sportanlässe. Dieser wurde von Adrian Rempfler, Institut für Kommunikationssysteme Icom der Hochschule für Technik Rapperswil, vorgestellt. Er leitete seinen Vortrag mit Bildern der diesjährigen «Sola»-Stafette ein und erläuterte anschliessend den Aufbau des Trackers und des Gesamtsystems.
Was hat GPS mit Erdbeben zu tun?
Zwei völlig andere Anwendungen von GPS und Galileo zeigte Alain Geiger, Professor am Institut für Geodäsie und Photo- grammetrie der ETH Zürich. Der gewählte Titel seines Vortrags «Was hat GPS mit Erdbeben und Atmosphäre zu tun?» weckte wohl bei jedermann bereits im Vorfeld Neugier. Er zeigte auf eindrückliche Art, wie die Bewegung der Plattentektonik durch genaueste GPS-basierte Messungen (der sogenannten Trägerphasennavigation) im Millimeterbereich aussieht und wie sich daraus Erdbebenrisiken berechnen lassen.
Im Sinne eines Ausblickes veranschaulichte Alain Geiger auf einer Karte die Lage der Erdteile in 100 Millionen Jahren – ein Bild mit interessanten «Verbindungen». Ebenso faszinierend waren die Korrelationen zwischen der Laufzeit der GPS-Signale, die durch die Troposphäre verzögert werden, und dem tatsächlichen Feuchtigkeitsgehalt der Atmosphäre. Sie wurden plausibel durch Zeitrafferbilder illustriert.