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Tüfteln am Transportsystem der Zukunft
STZ, April 2022 - In einem ehemaligen Hangar am Flugplatz Dübendorf bauen Studentinnen und Studenten einen «Pod» für die European Hyperloop Week. Dabei entwickeln sie Technologien für zukünftige Hochgeschwindigkeits-Transportsysteme und sammeln zugleich wertvolle Praxiserfahrung.«Stellen Sie sich vor, Sie können in einer halben Stunde von Paris nach Zürich reisen. Und das, ohne auch nur annähernd so viel Energie zu verbrauchen, wie mit dem Flugzeug.» Wer mit Roberto Molinari spricht, merkt sofort, dass der ETH-Student begeistert ist von dem, was er tut. Molinari ist einer von 25 Studentinnen und Studenten, die zum Team Swissloop gehören. Ihr gemeinsames Ziel: Sie wollen im kommenden Juli an der European Hyperloop Week teilnehmen. Dafür konstruieren und bauen sie einen «Pod», eine Kapsel, die auf Schienen fährt. Damit wollen die angehenden Ingenieurinnen und Ingenieure den Weg bereiten für Transportsysteme, die auf der Hyperloop-Technologie basieren.
Das Swissloop-Team teilt sich einen ehemaligen Flugzeughangar im Innovationspark Dübendorf mit anderen Wettbewerbsteams und Fokus-Projekten der ETH Zürich: Im Projekt e-Sling arbeiten Studentinnen und Studenten an einem Flugzeug mit Elektroantrieb. Die Akademische Raumfahrtinitiative Schweiz forscht an einer Rakete, die in die niedrige Erdumlaufbahn fliegen soll. Der Akademische Motorsportverein Zürich entwickelt jährlich einen Rennwagenprototyp für die Wettbewerbe der Formula Student.
Mitten in der Werkstatt des Swissloop-Teams steht Simon Amman – nicht der Skispringer, sondern der Pod aus dem Vorjahr, benannt nach dem doppelten Doppelolympiasieger. Das Swissloop-Team ist mit diesem Pod im vergangenen Sommer bei der European Hyperloop Week im spanischen Valencia angetreten. Mit Erfolg: Die Fachjury belohnte die Leistung des ETH-Teams mit vier von sechs technischen Awards – bestes elektronisches Subsystem, bester Antrieb, beste Levitation und bestes Gesamtdesign. Das sind nicht die ersten Erfolge des Zürcher Studententeams bei Hyperloop-Wettbewerben. Swissloop ist ein Team der ersten Stunde: 2017 nahmen die Studentinnen und Studenten mit dem Pod «Escher» an der ersten Hyperloop Competition teil und erreichten dort den dritten Platz. Es folgten erfolgreiche Teilnahmen an den Wettbewerben 2018 (10. Platz) und 2019, als der Pod «Claude Nicollier» den zweiten Rang belegte.
Technologie statt Geschwindigkeit
Die Hyperloop-Wettbewerbe sind eine Idee des amerikanischen Unternehmers Elon Musk (Tesla, Space-X). Bei den ersten drei Veranstaltungen, die von 2017 bis 2019 in Kalifornien stattfanden, ging es vor allem um eines: Geschwindigkeit. Der Swissloop-Pod «Claude Nicollier», raste 2019 mit mehr als 257 km/h über die rund eine Meile lange Teststrecke. Ein Pod der Technischen Universität München erreichte gar 463,5 km/h. Als Musk nach drei Jahren das Interesse verlor und sich auf Wettbewerbe im Tunnelbohren verlegte, riefen europäische Teams einen neuen Wettbewerb ins Leben: die European Hyperloop Week. Die erste europäische Hyperloop-Woche fand im vergangenen Jahr in Valencia statt. Mit dem Umzug nach Europa nahm der Geschwindigkeitsrausch ein Ende. Im Mittelpunkt stehen nun die Weiterentwicklung der Technologien sowie Skalierbarkeit und nachhaltiges Design.
Jetzt steht Simon Ammann also hier in der Werkstatt eines neuen Teams, das einen neuen Pod entwickelt und baut. Die Verkleidung des Vorjahresfahrzeugs ist zur Hälfte entfernt und gewährt den Blick ins mit Elektronik vollgestopfte Innere. Ein Spiegel unter dem Fahrzeug ermöglicht mühelose Sicht auf den Linearmotor an der Unterseite, ein technisches Highlight, das «Simon Amman» zum ersten schwebenden Swissloop-Pod machte. Noch ist das Vorjahresmodell in beinahe fahrbereitem – oder besser gesagt, flugbereitem – Zustand, aber nicht mehr lange. «Den werden wir bald teilweise demontieren», erklärt Molinaris Kommilitone Sven Prinz. Der Grund: Ein Teil der Komponenten aus «Simon Ammann» soll im nächsten Pod erneut zum Einsatz kommen, beispielsweise der Geschwindigkeitssensor. Dennoch ist der neue Pod eine komplette Neuentwicklung.
Auch die Zielsetzungen, die das Swissloop- Team verfolgt, unterscheiden sich von Jahr zu Jahr. Ging es bei «Simon Amman» vorrangig – und mit grossem Erfolg – um die Weiterentwicklung des linearen Induktionsmotors, setzt das Team nun andere Schwerpunkte. Die direkte Anwendbarkeit der Hyperloop-Technologie rückt zunehmend in den Fokus der Entwicklung. Der 2022er-Pod wird deshalb auch nicht schweben, sondern wie die Vorgänger von «Simon Amman» wieder auf Rädern unterwegs sein. Dafür soll er eine Ladung transportieren können. Ausserdem soll ein neues Motorkonzept die Effizienz steigern und den Einsatz in grösseren Prototyp erleichtern.
Aufwand der sich lohnt
Jedes Jahr von Grund auf neu zu starten und mit einem neuen Team einen neuen Pod zu entwickeln, das bedeutet einen hohen Aufwand und erfordert einiges an Arbeitskraft. Von den 25 Studentinnen und Studenten arbeiten derzeit acht in Vollzeit an dem Projekt, die anderen neben ihrem regulären Studium. Die Aufgaben beschränken sich dabei nicht nur auf das Engineering. Das Projektmanagement gehört ebenso dazu, wie beispielsweise die Suche nach Sponsoren. Bei alldem arbeiten die Bachelor-Studenten weitestgehend selbstständig und nicht etwa unter ständiger Anleitung. Professoren und Dozenten besprechen den Projektstand regelmässig mit den Studenten und geben Tipps.
Der hohe Aufwand lohnt sich. Davon ist zumindest Roberto Molinari überzeugt: «Das Studium an der ETH ist doch manchmal recht theoretisch», sagt er. Bei Swissloop könnten die Studentinnen und Studenten die Theorie mit Praxiserfahrungen in einem spannenden Projekt ergänzen und einen sinnvollen Beitrag zur Technologieentwicklung leisten. Bis man von Zürich nach Paris in einer halben Stunde reisen kann, werden noch viele Jahre vergehen, doch für Roberto Molinari ist das eben vor allem eine Frage der Zeit: «Ich bin sicher, dass Hyperloop-Transportsysteme eines Tages Teil unseres Alltags sein werden.»
Hinter dem Begriff Hyperloop verbirgt sich das Konzept eines Hochgeschwindigkeitsverkehrssystems, bei dem sich Kapseln in einer Vakuumröhre mit hoher Geschwindigkeit fortbewegen. Der amerikanische Unternehmer Elon Musk (Tesla, Space-X) stellte die Idee im August 2013 in einem White Paper vor. Ein solches Verkehrssystem soll es ermöglichen, grosse Distanzen ähnlich schnell zurückzulegen, wie mit dem Flugzeug. Da die Reise in einer fast luftleeren Röhre stattfindet und die Kapseln sich mit Magnetschwebetechnik fortbewegen, gibt es nur sehr wenig Reibung. Ist die Kapsel einmal auf Reisegeschwindigkeit beschleunigt, wird daher nur noch sehr wenig Energie benötigt, um die Geschwindigkeit zu halten.
Bei der Umsetzung eines solchen Konzepts müssen zahlreiche Herausforderungen bewältigt werden. Ein Beispiel dafür ist die Kühlung des Antriebssystems, dessen Abwärme aufgrund des Vakuums nicht in die Umgebungsluft abgeleitet werden kann. Auch der Bau einer geeigneten Strecke ist herausfordernd, denn aufgrund der hohen Geschwindigkeiten muss diese nahezu ohne Kurven und nennenswerte Höhenunterschiede verlaufen. Wo Platz ist, kann die Strecke in einer überirdischen Röhre verlaufen, doch in dicht besiedelten Gebieten ist eine Hyperloop-Strecke nur in einem Tunnel denkbar.
Elon Musk wollte das Hyperloop-Konzept aus Zeitmangel nicht selbst weiterverfolgen. Inzwischen arbeiten jedoch mehrere Unternehmen an der Kommerzialisierung der Idee. Eines davon ist die Firma Virgin Hyperloop One, die im November 2020 auf einer 500 m langen firmeneigenen Teststrecke in Nevada erstmals zwei Personen in einer Hyperloop-Kapsel beförderte. Die Kapsel erreichte dabei eine Höchstgeschwindigkeit von 172 km/h.
Im Februar dieses Jahres gab Virgin Hyperloop One jedoch einen Strategiewechsel bekannt. Man wolle sich zukünftig auf den Transport von Gütern konzentrieren und nicht mehr auf die Personenbeförderung. Gleichzeitig wurde die Hälfte der Belegschaft entlassen. Mit der amerikanischen HyperloopTT, der kanadischen Transpod und den europäischen Firmen Hardt Hyperloop (NL), Nevomo (PL) und Zeleros (ES) arbeiten weitere Unternehmen an der Entwicklung der Hyperloop-Technologie. Konkrete Projekte gibt es bisher jedoch noch nicht.
Autor: Hendrik Thielemann
Bildquelle: Swissloop
Artikel aus der STZ: Ausgabe April 2022
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