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In vitro veritas?

STZ, August 2022 - Fleisch aus Zellkulturen - für die einen das neueste Ekelprodukt der Küche des Dr. Frankenstein, für die anderen der Königsweg, um Milliarden Menschen schmackhaft, umweltfreundlich und ohne Tierleid zu ernähren. Noch ist es unerschwinglich, doch Wissenschaft und Lebensmittelindustrie arbeiten mit Hochdruck daran, das Fleisch aus der Retorte in die Supermarktregale zu bringen.

Eine Viertelmillion für einen Hamburger? Nein, hier geht es (noch) nicht um die jüngsten Auswirkungen der Inflation auf die ohnehin schon überrissenen Stadtzürcher Restaurantpreise. Hier geht es um das bisher teuerste Hacktätschli aller Zeiten – zubereitet vor ziemlich genau neun Jahren vom britischen Koch Richard McGewon, verspeist von der österreichischen Ernährungswissenschaftlerin Hanni Rützler und dem Chicagoer Journalisten Josh Schonwald und bezahlt von Google-Gründer Sergey Brin. Das Besondere an diesem Hamburger: Er bestand aus In-vitro- Fleisch, gezüchtet in Petrischalen. Der Kopf hinter dem Burgeressen war Mark Post, Physiologieprofessor an der Universität Maastricht. Mit seinem Unternehmen Mosa Meat hat sich der Niederländer kein geringeres Ziel gesetzt, als «das globale Ernährungssystem grundlegend neu zu gestalten».

Schätzungen zufolge werden 2050 rund zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben, und viele von ihnen wollen Fleisch essen. In einigen reichen Ländern steigt zwar die Zahl derer, die ihren Fleischkonsum reduzieren oder ganz darauf verzichten, doch im globalen Massstab spielt das bisher keine entscheidende Rolle. Die Menschheit hat Appetit auf Fleisch, und der wächst mit steigendem Wohlstand. Experten schätzen deshalb, dass sich der Fleischkonsum bis 2050 verdoppeln wird. Das geht auf Kosten von Umwelt und Klima: Schon jetzt werden zwei Drittel des weltweit verfügbaren Agrarlandes für die Viehzucht aufgewendet, die auch für rund 20 Prozent der global emittierten Treibhausgase verantwortlich ist.

«Das Problem der Fleischproduktion ist, dass die Tiere nicht dafür geschaffen wurden. Deshalb sind sie nicht effizient.»

Kunstfleischpionier Mark Post

«Das Problem der Fleischproduktion ist, dass die Tiere nie wirklich geschaffen wurden, um als Abendessen für uns zu dienen. Deshalb sind sie nicht effizient», sagt Mark Post. Die Bio-Konversionsrate der Tiere beziffert er auf 15 Prozent. Das heisst, um 15 g Fleisch herzustellen, müssen die Tiere mit 100 g pflanzlichen Proteinen gefüttert werden. Bei Rindern kommt zudem noch der hohe Ausstoss des Treibhausgases Methan hinzu. «Ein Vegetarier mit einem Hummer-SUV ist besser für die Umwelt als ein Fleischesser mit einem Fahrrad », so das Fazit von Mark Post.

Zehn Tonnen Fleisch aus einer Stammzelle
Wie züchtet man einen Hamburger in der Petrischale? Mark Post und seine Kollegen haben dafür einer Kuh Muskelgewebe entnommen. In diesem Gewebe sind Muskelstammzellen enthalten, deren eigentlicher Zweck es ist, Verletzungen im Muskel zu reparieren. Diese Zellen können sich sehr oft teilen. «Aus einer einzigen Stammzelle können wir theoretisch 10'000 kg Fleisch herstellen », sagt Post. Die Zellen werden in eine Nährlösung eingebracht, wo sie sich teilen, an Ankerpunkten andocken – Post verwendete hierfür handelsübliches Klettband – und schliesslich Muskelfasern ausbilden. Post beschreibt die Zellen als «Bewegungsjunkies». «Wir müssen nichts tun, sie trainieren sich selbst. Sie halten sich an diesen Ankerpunkten fest […] und sie bilden einen Muskel.» Aus 20'000 solcher Muskelfasern haben Post und seine Mitstreiter ihren Hamburger zusammengesetzt.

Längst ist Mark Post nicht mehr allein mit seiner Vision vom umweltfreundlichen In- Vitro-Fleisch, für das keine Tiere geschlachtet werden müssen. Unternehmen, die das Kunstfleisch herstellen oder zumindest Rezepte und Technologie dafür liefern wollen, schiessen wie Pilze aus dem Boden. Auch das Risikokapital hat das Fleisch aus dem Bioreaktor für sich entdeckt. In den Jahren 2020 und 2021 flossen rund zwei Milliarden US-Dollar in den Sektor. Tendenz steigend.

Andrew Ive investiert mit seiner Firma Big Idea Ventures in die Erschliessung alternativer Proteinquellen. Mit seinen «New Protein Funds» sammelt er Investorengelder für Startups die pflanzenbasierten Fleischersatz oder In-vitro-Fleisch produzieren oder Technologien dazu beitragen wollen. Ive sieht pflanzlichen Fleischersatz und In-vitro-Fleisch als komplementäre Produkte. Der Trend zu pflanzlichen Proteinquellen als Ersatz für den Fleischkonsum werde vor allem von Verbrauchern angetrieben, die von sich aus versuchten, einen nachhaltigeren Ansatz für ihre Ernährung zu finden, sagt er. Doch das will nicht jeder. Für die anderen müsse man «Produkte herstellen, die bio-identisch sind mit dem, was die Menschen seit ihrer Kindheit lieben, was ihre Eltern und Großeltern hergestellt haben». Genau das seien die In-vitro-Produkte, denn unters Mikroskop gelegt, seien die Zellen identisch mit «echtem» Fleisch. Die Menschen müssten ihre Ernährungsgewohnheiten nicht umstellen.

Gelatine und Austern aus Zellkulturen
Mit seinen Fonds finanziert Andrew Ive in Unternehmen wie die der Schwestern Stephanie und Nikita Michelsen, aus Raleigh in North Carolina. Stephanie ist Gründerin der Firma Jellatech, die Kollagen und Gelatine aus tierischen Zelllinien gewinnen will. Ihre Schwester Nikita hat sich der gehobenen Küche verschrieben: Ihre Firma Perlita Foods bezeichnet sich als «World’s first alternative oyster company». Perlitas Austern aus dem Bioreaktor sollen nicht nur umweltfreundlicher und gesünder werden als die echten, sie sollen auch billiger sein, sodass der schleimige Genuss nicht nur den Besserverdienenden in den reichsten Ländern vorbehalten bleibt.

Genau wie Finanzier Ive glaubt auch Nikita Michelsen, dass pflanzenbasierte Alternativen zu Fleisch und Fisch nicht ausreichen. «Die Konsumenten wollen etwas, das genauso schmeckt und sich im Mund genauso anfühlt wie echtes Seafood.» Und das dürfe eben nicht zu teuer sein. Bei pflanzlichem Fleischersatz sei die Preisparität nicht mehr weit, sagt Michelsen, bei Fleisch- und Fischprodukten aus dem Bioreaktor dürfte es noch rund zehn Jahre dauern. Kapitalsammler Ive gibt sich da naturgemäss optimistischer. Die Technologie entwickle sich schnell. «Nikita spricht von zehn Jahren, ich denke, es sind eher zwei oder drei.»

«Ziel ist, in grossem Massstab zu produzieren und zu Kosten, die es erlauben, die Erzeugnisse zu einem normalen Preis in die Supermarktregale zu bringen.»

Ian Robers, CTO Bühler

Aus der Petrischale in den Bioreaktor
Ob zwei, drei oder zehn Jahre: Sollen Milliarden Menschen demnächst Kunstfleisch essen, muss dieses in riesigen Mengen hergestellt werden. «Das Ziel ist es, in grossem Massstab zu produzieren und zu Kosten, die es uns erlauben, die Erzeugnisse zu einem normalen Preis in die Supermarktregale zu bringen», sagt Ian Roberts. Der britische Chemieingenieur ist CTO des Uzwiler Anlagenbauers Bühler, eines «Hidden Champion» in Sachen Lebensmittelverarbeitung. Das «Upscaling» aus dem Labor in die industrielle Produktion beinhalte Herausforderungen, die viele Startups wahrscheinlich unterschätzten, meint Roberts.

Gemeinsam mit dem Detailhandels-Duopolisten Migros und dem westschweizer Aromastoffhersteller Givaudan hat Bühler in Kempthal bei Zürich deshalb das Joint Venture «The Cultured Hub» gegründet. Ausgestattet mit einem Produktentwicklungslabor, Zellkulturen und Fermentationskapazitäten, soll der Hub Start-ups aus aller Welt dabei unterstützen, marktreife Produkte zu entwickeln und so den Weg zu nachhaltigem und erschwinglichem Fleisch beschleunigen. Bisher sei In-Vitro-Fleisch noch nicht in industriellem Massstab hergestellt worden, sagt Yannick Gächter, frischgebackener Geschäftsführer von The Cultured Hub. Deshalb gelte es einige Probleme zu lösen: «Wie verhalten sich die Zellen? Wie können wir dafür sorgen, dass sie die richtige Ernährung erhalten? Welche Technologien brauchen wir dafür? Und bei alldem müssen die Kosten in einem Rahmen bleiben, der das Kunstfleisch am Ende für die Konsumenten attraktiv macht.»

Antworten auf diese Fragen zu finden ist teuer. Für eine Pilotfabrik zur Herstellung von In-vitro-Fleisch müsse ein Start-up Millionen aufbringen, schätzt Bühler-CTO Roberts. «Der Hub kann Start-ups in die Lage versetzen, Finanzierungsrunden für den Bau kleinerer Anlagen zu vermeiden und so eine Verwässerung des Eigenkapitals zu verhindern.» Umgekehrt will natürlich auch Bühler als Anlagenbauer langfristig vom Know-how in Sachen Kunstfleisch-Produktion profitieren. Traditionell sei Bühler Experte für das Formen und Texturieren, sagt Ian Roberts. «Das was aus dem Bioreaktor kommt, müssen wir in etwas grossartiges zum Essen verwandeln, das alle sensorischen Eigenschaften eines normalen Lebensmittels erfüllt. Wir haben den Ehrgeiz, die Technologie zu entwickeln, die diese Umwandlung von Biomasse in wohlschmeckende Produkte ermöglicht.»

Insekten als Proteinquelle
Insekten könnten zukünftig eine Schlüsselrolle als Proteinquelle für Tiere und - zumindest theoretisch - auch für Menschen spielen. Im neu eröffneten Insect Technology Center (ITC) in Uzwil erforscht Bühler deshalb, wie Insekten als Nahrungsquelle dienen können. In dem Anwendungszentrum kann Bühler zusammen mit seinen Kunden Larvenwachstumsversuche mit verschiedenen Rohstoffen durchführen,
Produktmuster entwickeln, Zuchtlösungen evaluieren und Schulungen durchführen. Das Herzstück des Zentrums sind zwei Wachstumskammern für Insekten, die es ermöglichen, industrielle Produktionsbedingungen zu imitieren. Diese Kammern verfügen über ein ausgeklügeltes Klimakontrollsystem und sind mit zahlreichen Sensoren ausgestattet, die wertvolle Einblicke in den Prozess geben. Anhand der gesammelten Daten können die richtigen Parameter und Verfahren bestimmt werden, um eine effiziente Insektenproduktion im industriellen Massstab zu gewährleisten. Im ITC wird mit den beiden für die industrielle Produktion wichtigsten Insektenarten gearbeitet, mit der schwarzen Soldatenfliege und dem Mehlwurm.

Autor: Hendrik Thielemann
Bildquellen:Mosa Meat (oben), Bühler (unten)
Artikel aus der STZ: Ausgabe August 2022

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