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Swiss Engineering stärkt, fördert und vernetzt
Swiss Engineering STV ist der bedeutendste Berufsverband der Ingenieur:innen
und Architekt:innen der Schweiz, mit über 11‘000 Mitgliedern aller Fachrichtungen,
Branchen, Tätigkeitsbereichen und Führungsstufen.
Swiss Engineering...
…stärkt das Profil und das Image der technischen Berufe und unterstützt junge
und erfahrene Ingenieur:innen und Architekt:innen in ihrer Laufbahn.
…fördert die Bildung dank dem weitreichenden Netzwerk, mit starker Stimme in
Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.
…vernetzt die Ingenieur:innen und Architekt:innen und bietet technische und
praktische Informationen und Austauschplattformen.
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Alter Wein in neuen Schläuchen?
STZ Mai 2022 - In der Schweiz ist der Atomausstieg beschlossene Sache, doch viele andere Länder setzen mehr denn je auf die Kernenergie. Die Hoffnungen der Branche ruhen auf kleinen modularen Reaktoren. Doch längst nicht alle Konzepte sind innovativ genug, um die Kritiker zu überzeugen.Am Nachmittag des 11. März 2011 überschwemmten nach einem schweren Erdbeben 15 Meter hohe Tsunamiwellen das Atomkraftwerk Fukushima in Japan. Es folgten Kernschmelzen in drei Reaktorblöcken – nach Tschernobyl der zweite und zweitschlimmste Super-GAU der Menschheitsgeschichte. Für die Schweiz bedeutete Fukushima den Anfang vom Ende der Kernenergie: Noch im selben Jahr beschlossen Bundesrat und Parlament den Ausstieg.
Weltweit sind die Länder, die sich von der Atomenergie verabschieden, jedoch in der Minderheit. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) rechnet gar damit, dass die Bedeutung der Atomkraft wächst. Weltweit werden 55 neue Atomreaktoren gebaut. Hunderte befinden sich in Planung. Rund 30 Staaten wollen neu in die Atomenergie einsteigen. Befürworter sehen in der Kernkraft die Möglichkeit, grosse Mengen Strom zu produzieren, ohne dass dabei klimaschädliches CO2 entsteht.
Hoffnungsträger SMRs
Eine neue Generation von Atomreaktoren könnte der Atomkraft Vorschub leisten: sogenannte Small Modular Reactors (SMRs). Der Begriff fasst unterschiedliche Konzepte für kleinere, modular aufgebaute Kernreaktoren mit einer Nettoleistung von bis zu 300 MW zusammen. Die Hoffnungen, die in solche Reaktoren gesetzt werden, sind gross: «Die einzigartigen Eigenschaften von SMRs in Bezug auf Effizienz, Flexibilität und Wirtschaftlichkeit können sie in die Lage versetzen, eine Schlüsselrolle bei der sauberen Energiewende zu spielen», sagt Stefano Monti, Leiter der IAEA-Abteilung für die Entwicklung von Kernkrafttechnologien.
Nicht alle SMR-Konzepte sind neu. Oft handelt es sich um herkömmliche Druckwasserreaktoren. Das US-amerikanische Unternehmen NuScale entwickelt beispielsweise einen kleinen Leichtwasserreaktor mit einer Leistung von 77 MW, der eingekapselt in einem unterirdischen Wasserbecken installiert werden soll. In China setzt man gar auf das in Deutschland bereits vor Jahrzehnten verworfene Prinzip des Kugelhaufenreaktors. Im vergangenen Jahr ging im Kraftwerk Shidaowan ein Kugelhaufen- SMR in Betrieb. Dieser Reaktortyp wird nicht mit Brennstäben befüllt, sondern mit tennisballgrossen Brennstoffkugeln, die kontinuierlich von oben in den Reaktordruckbehälter gefüllt und unten fortlaufend wieder herausgenommen werden. Der weltweit erste Kugelhaufenreaktor ging 1967 in der deutschen Kernforschungsanlage Jülich in Betrieb, erwies sich jedoch aufgrund zahlreicher, teilweise schwerwiegender Störfälle als Flop.
Wegwerfreaktor mit schnellen Neutronen
Fortschritte in der Reaktortechnologie könnten sich durch die Nutzung schneller Neutronen ergeben. In den heute üblichen Druckwasserreaktoren werden die schnellen Neutronen, die bei der Kernspaltung frei werden, im Wasser abgebremst, bevor sie den nächsten Kern spalten. In den sogenannten Fast Neutron Reactors (FNR) soll dagegen die Kernspaltung durch schnelle Neutronen erfolgen. Diese würden Uran 238 in Plutonium umwandeln, das mit schnellen Neutronen erneut gespalten werden kann. Ein Beispiel dafür ist das an der University of California in Berkeley entwickelte Konzept der «Encapsulated Nuclear Heat Source», eines unterirdischen 50-MW-Reaktors, der mit flüssigem Natrium gekühlt werden soll. Einen ähnlichen Reaktortyp hat auch die Königliche Technische Hochschule (KTH) im schwedischen Stockholm präsentiert. Das Besondere: Es handelt sich um einen «Wegwerfreaktor», der nur einmal mit Brennstoff befüllt und am Ende seiner 25-jährigen Betriebsdauer komplett entsorgt wird.
«SMRs könnten eine Schlüsselrolle bei der sauberen Energiewende spielen.»
Stefano Monti,IAEA
Das deutsch-kanadische Start-up Dual Fluid will in seinem SMR die Vorteile von Flüssigsalzreaktoren mit denen metallgekühlter Reaktoren kombinieren. Als Brennstoff dient flüssiges Aktinoidenmetall, als Kühlmittel flüssiges Blei. Das ermöglicht laut Dual Fluid eine maximale Leistungsdichte und hohe Betriebstemperaturen. Ausserdem entstehe im Reaktor ein Neutronenüberschuss, durch den der Dual-Fluid-Reaktor jedes spaltbare Material nutzen könne, sogar aufbereiteten Atommüll. Eine Kernschmelze oder eine unkontrollierte Leistungsexkursion sei physikalisch ausgeschlossen. Ein Dual-Fluid-Prototyp soll noch in diesem Jahrzehnt einsatzbereit sein.
Auch das Genfer Start-up Transmutex arbeitet an einem kleinen Atomreaktor, der seinen Brennstoff selbst erbrüten kann. Als Brennstoff soll Thorium zum Einsatz kommen, das im unterkritischen Zustand gespalten wird. Die dafür notwendigen Neutronen soll ein Teilchenbeschleuniger liefern, den Transmutex in Kooperation mit dem Paul-Scherrer-Institut bauen will. Auch der Transmutex-Reaktor soll mit Atommüll aus konventionellen Atomkraftwerken gefüttert werden können.
Kritiker sehen wenig Fortschritt
Doch nicht alle Experten sehen die SMRs positiv. So hat das Öko-Institut Darmstadt im Auftrag des deutschen Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung zahlreiche SMR-Konzepte untersucht. Das Urteil der Experten fällt kritisch aus: Die sicherheitstechnischen Vorteile würden durch die hohe Anzahl benötigter Reaktoren wieder wettgemacht. Anders als teilweise von Herstellern angegeben, müsse davon ausgegangen werden, dass auch bei SMR die Möglichkeit von Kontaminationen bestehe, die deutlich über das Anlagengelände hinausreichten. Durch die geringe elektrische Leistung seien die Baukosten relativ höher als bei grossen Atomkraftwerken. Eine Produktionskostenrechnung unter Berücksichtigung von Skalen-, Massenund Lerneffekten aus der Atomindustrie lege nahe, dass im Mittel dreitausend Rektoren produziert werden müssten, bevor sich der Einstieg lohnen würde.
Autor: Hendrik Thielemann
Bildquelle: Istockphoto
Artikel aus der STZ: Ausgabe Mai 2022
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