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…fördert die Bildung dank dem weitreichenden Netzwerk, mit starker Stimme in
Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.
…vernetzt die Ingenieur:innen und Architekt:innen und bietet technische und
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«Schweizer» Satellit erforscht Exoplaneten
STZ, Februar 2020 - Bei der Erforschung von Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems haben Schweizer Wissenschaftler die Nase weit vorn. Im vergangenen Jahr erhielten zwei Forscher der Universität Genf für ihre Arbeit auf diesem Gebiet den Nobelpreis. Nun soll der Satellit Cheops bekannte Exoplaneten genauer untersuchen. Es ist die erste Weltraummission, die von der Schweiz und der Europäischen Weltraumorganisation ESA gemeinsam geleitet wird.«Ich bin so nervös», sagt Willy Benz. Die Nervosität sieht man dem Astrophysiker nicht an. Scheinbar entspannt sitzt er während einer Medienkonferenz der Uni-Bern im Dezember auf dem Podium und parliert über sein «Baby», den Satelliten Cheops. Doch es ist kein Wunder, dass Benz nervös ist, denn nach der Medienkonferenz wird er zum europäischen Weltraumbahnhof nach Kourou in Französisch-Guayana reisen, um den Start des Satelliten vor Ort zu verfolgen. Ein Moment, auf den der Berner Professor mehr als ein Jahrzehnt hingearbeitet hat.
«2008 haben Didier Queloz und ich zum ersten Mal über Cheops nachgedacht», erinnert sich Benz. Der Genfer Astronomie-Professor Queloz hatte vor fast 25 Jahren gemeinsam mit Michel Mayor den ersten Exoplaneten entdeckt. Beide erhielten dafür im vergangenen Jahr den Nobelpreis für Physik.
Viele Ideen, wenig Geld
Eine Menge Überzeugungsarbeit musste Willy Benz leisten, um Cheops auf die Beine zu stellen – bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA, bei Politikern und nicht zuletzt bei der Raumfahrtindustrie. Denn Ideen für Weltraummissionen gibt es viele, doch das Geld ist knapp. Cheops ist eine sogenannte SClass oder Small Mission im Wissenschaft programm der ESA. Rund 100 Millionen Euro kostet das Projekt insgesamt. Für eine wissenschaftliche Satellitenmission ist das wenig, doch auch dieses Geld musste erst einmal «gefunden» werden. Rund 50 Millionen steuerte die ESA bei, den Rest fi anzierten, die Länder, die sich an der Mission beteiligten. 30 Millionen kamen aus der Schweiz. Das Akronym Cheops steht für Characterising Exoplanet Satellite. Cheops ist ein Weltraumteleskop auf einer Satellitenplattform, das die Universität Bern in enger Zusammenarbeit mit der Universität Genf entwickelt und zusammengebaut hat. Es ist die erste Weltraummission, die von der Schweiz und der ESA gemeinsam geleitet wird. Das Teleskop an Bord des Satelliten soll die Grösse bekannter Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems vermessen. Im Gegensatz zu Missionen, deren Ziel es ist, neue Exoplaneten zu entdecken, wird Cheops helle, nahe gelegene Sterne beobachten, von denen bereits bekannt ist, dass sie von Exoplaneten umrundet werden. Dabei wird sich die Mission auf Sonnen konzentrieren, die von Planeten mit einer Grösse zwischen jener der Erde und jener von Neptun umkreist werden. Die Wissenschaftler wollen mithilfe der Daten von Cheops auch die Zusammensetzung der Exoplaneten und Eigenschaften ihrer Atmosphäre abschätzen. Dies ist ein wichtiger Schritt, um herauszufi den, ob einer der Planeten bewohnbar sein könnte. Cheops wird nicht nur die von anderen Missionen entdeckten Exoplaneten genauer untersuchen, sondern auch die besten Kandidaten für eine detailliertere Erforschung identifizie en. Beispielsweise soll der Satellit Ziele definieren für das internationale James-Webb-Weltraumteleskop, das dann nach Spuren von Wasser und Methan forschen wird, Schlüsselfaktoren für die Suche nach Zeichen der Bewohnbarkeit.
Präzision ist gefragt
Um den Durchmesser der Exoplaneten zu bestimmen, fertigt das Teleskop in regelmässigen Abständen Aufnahmen des untersuchten Sterns an. Dann wird analysiert, wie viel Licht beim Teleskop ankommt. Zieht ein Planet vor dem Stern vorbei, nimmt die Lichtmenge ab, weil der Schatten des Planeten auf das Teleskop trifft Aus der Abnahme können die Forscher auf die Grösse des Exoplaneten schliessen. Es gehe nicht, darum möglichst viele Planeten zu charakterisieren, erläutert Willy Benz. «Ziel von Cheops ist es, die Messungen so genau wie möglich durchzuführen. In diesem Sinne ist es ein sehr schweizerisches Experiment.» Cheops verfügt über ein einziges Instrument: ein Teleskop mit einem 30 cm Spiegeldurchmesser und einem CCD-Detektor, der die sichtbaren bis nahen Infrarot-Wellenlängen abdeckt. Die hohen Anforderungen an die Genauigkeit der Messungen bestimmten das Design des Teleskops: Weil das Transitsignal für die kleinsten Planeten extrem schwach sein kann, könnte das Rauschen des Instruments selbst dieses Signal verdecken. Das Instrument muss daher so stabil wie möglich sein, sowohl in Bezug auf die Minimierung des Jitters bei der Beobachtung des Sterns als auch in Bezug auf die Kühlung, um thermisch induziertes Rauschen zu vermeiden. Ausserdem muss das Teleskop effektiv vor Streulicht geschützt werden. Eine Reihe von Massnahmen verhindert, dass Streulicht, beispielsweise von der Erde oder vom Mond, in das Teleskop eindringt. Für die Tests des Teleskops haben Wissenschaftler der Universität Genf eigens eine superstabile Lichtquelle erfunden. «Diese Lichtquelle war so gut, dass jetzt auch das MIT sie benützt, um den NASA-Satelliten Tess zu eichen», berichtet Willy Benz. Die ESA trug die Gesamtverantwortung für die Beschaffung und die Tests des Satelliten. Hauptauftragnehmer für die Konstruktion und den Bau war Airbus in Spanien. Ein Konsortium von elf ESA-Mitgliedstaaten unter Führung der Schweiz lieferte die zentralen Elemente der Mission. Darunter waren sechs Länder am Bau des Instruments beteiligt: Die mechanische Struktur wurde in der Schweiz gebaut, das Fokalebenen-Modul mit dem Sensor und der dazugehörigen Elektronik in Deutschland, der Streulichtschutz in Belgien, die Optik in Italien, die Datenverarbeitungseinheit in Österreich und die Radiatoren in Ungarn. Auch die ESA trug mit der Beschaffung des Focal-Plane-Detektors (CCD) zur Instrumentenentwicklung bei. Willy Benz ist wissenschaftlicher Projektleiter (Principal Investigator), der Cheops-Mission. Nobelpreisträger Didier Queloz leitet das «Science Team». In diesem Team haben 30 Wissenschaftler in den vergangenen vier Jahren daran gearbeitet, die Fragestellungen zu definie en, die Cheops untersuchen soll.
«Ziel von Cheops ist es, die Messungen so
genau wie möglich durchzuführen. In diesem
Sinne ist es ein sehr schweizerisches Experiment.»
Willy Benz
Tests im Orbit laufen
Zumindest ein wenig dürfte sich Willy Benz inzwischen entspannt haben, denn am 18. Dezember setzte eine russische Sojus-Rakete, den Satelliten mit eintägiger Verspätung punktgenau im Weltraum ab. Seitdem umrundet Cheops die Erde in einer Höhe von rund 700 Kilometern und wird Schritt für Schritt in Betrieb genommen. Zunächst teste die ESA die Satellitenplattform. Am 8. Januar fuhren die Ingenieure dann den Computer des Teleskops hoch. «Es hat alles bestens geklappt», bestätigte Systemingenieur Thomas Beck, von der Uni Bern. Die Instrumente an Bord hätten wie erwartet reagiert. «Die Heizelemente des Teleskops sind eingeschaltet, das heisst, dass die Temperatur von -15 Grad auf eine konstante Betriebstemperatur von -10 Grad Celsius gebracht wird», so Beck. Anschliessend schalteten Beck und seine Kollegen die CCD-Kamera ein und prüften bei nach wie vor geschlossenem Teleskopdeckel die Funktion des CCD. Der grosse Moment, in dem der Deckel des Teleskops geöffnet wird, stand dann für den 27. Januar im Terminkalender – nach Redaktionsschluss dieses Heftes.
Solar Orbiter ebenfalls mit Schweizer Instrument
Der «Schweizer Satellit» Cheops ist noch nicht einmal vollständig in Betrieb gegangen, da startet schon der nächste Wissenschaftssatellit der ESA mit einem Instrument aus der Schweiz: Am 5. Februar soll die Raumsonde Solar Orbiter mit einer amerikanischen Atlas-V-Rakete gestartet werden. Hauptziel dieser Mission ist die Erforschung des Sonnenwinds. Die Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW hat eines der zehn Instrumente an Bord des Solar Orbiters entwickelt: Das Instrument STIX wird Röntgenbilder und Spektren der Sonne aufnehmen. Diese enthalten Informationen über physikalische Zustände und Prozesse bei Sonneneruptionen. Anhand dieser Informationen soll untersucht werden, wie sich geladene Teilchen auf sehr hohe Geschwindigkeiten beschleunigen und im Weltraum ausbreiten. Im Hintergrund steht das Coronal Heating Problem, die grosse ungelöste Frage der Sonnenphysik, warum sich die Temperatur der Sonne von 6000 Grad an der Oberfläche in ihrer Atmosphäre, der Korona massiv erhöht - auf eine Million Grad - statt sich abzukühlen, wie zu erwarten wäre.Erstmals in der Geschichte der ESA-Missionen wird sich das «Science Operations Center» nicht bei der ESA, sondern an der Universität Genf befi den. Hier werden die Beobachtungen geplant, die wissenschaftlichen Operationen geleitet und die Daten analysiert.
Autor: Hendrik Thielemann
Bildquelle: ESA
Artikel aus der STZ: Ausgabe Februar 2020