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Leichtbaukonstruktion einer Druckgussform

STZ, September 2020 - Druckgussbauteile benötigen entsprechende Druckgusswerkzeuge. Ein solches Werkzeug hat die ZHAW mithilfe computergestützter Topologieoptimierung neu gestaltet, denn die Anforderungen steigen stetig.

Getrieben durch neue Anwendungsfelder wie die Elektromobilität werden Druckgussbauteile immer komplexer und damit auch grösser und schwerer. Einerseits erschwert die zusätzliche Werkzeugmasse das Handling während der Produktion. Andererseits erhöhen sich auch die Herstellungskosten der Werkzeuge durch kostentreibende Eigenschaften wie das Spanvolumen und das Material.


Mithilfe der rechnergestützten Methode der Topologieoptimierung entwickelte das Zentrum für Produkt- und Prozessentwicklung (ZPP) der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ein Werkzeugkonzept, welches die Werkzeugmasse reduziert, ohne an funktionskritischer Werkzeugsteifigkeit einzubüssen.

 

Steifigkeit in der Formtrennung entscheidet

Anhand eines bestehenden Druckgusswerkzeugs der Firma Bühler Druckguss untersuchte die ZHAW, wie ein Druckgusswerkzeug optimal gestaltet werden könnte – unter Zuhilfenahme der Methode der finiten Elemente und der Topologieoptimierung. Der Fokus wurde dabei nebst den Festigkeitsanforderungen auf minimalen Materialaufwand bei ausreichender Steifigkeit der funktionskritischen Stellen gelegt.

In Aluminiumdruckgusswerkzeugen werden Giessdrücke von bis zu 1000 bar erreicht. Diesem Innendruck wirkt beim Giessvorgang die mechanische Schliesskraft der Hydraulikzylinder entgegen, welche die Formhälften zusammendrückt. Hierbei resultieren Schliesskräfte je nach Anwendung und Anlage von bis zu 56’000 kN. Weiter führen die unterschiedlichen Temperaturen (Differenzen von mehreren 100 °C) innerhalb des Werkzeugs zu thermisch bedingten inneren Spannungen. Die Überlagerung dieser Lasten führt zur Verformung der Werkzeugdichtflächen und lokal auch zu deren Öffnung. Erfahrungsgemäss führt dies ab einem Grenzwert zum Austreten des flüssigen Metalls und somit längerfristig zum Ausfall des Werkzeugs.
Die Verformungen im Werkzeug verursachen zudem Massungenauigkeiten im Gussteil, die den definierten Qualitätsanforderungen entgegenwirken und so zu Toleranzüberschreitungen führen können.

 

Thermomechanisches stark gekoppeltes Modell

Ein rein mechanisches Modell wäre nicht in der Lage, den Einfluss der thermischen Dehnung auf den Kontaktstatus sowie den Einfluss des Kontaktstatus auf den Wärmefluss zu berücksichtigen. Um die komplexen Lasten und deren Wechselwirkung untereinander realitätsnah abbilden zu können, wurde anhand eines thermomechanisch stark gekoppelten, nichtlinearen FEM-Modells des Werkzeugrahmens gerechnet. Dabei werden die thermischen wie auch die mechanischen Gleichungen gleichzeitig gelöst. Mit diesem komplexen Simulationsmodell als Grundlage konnte deutlich mehr Potenzial bei der Optimierung ausgeschöpft werden.
Für die Topologieoptimierung wurde der bekannte und weitverbreitete SIMP-Ansatz (Solid Isotropic Material with Penalization method) verwendet. Als Zielfunktion wurde die minimale Nachgiebigkeit der Struktur und unter Einhaltung einer Volumenreduktion definiert. Eine direkte Optimierung des sich einstellenden Kontakt-Spaltmass ist derzeit aufgrund der Softwaremöglichkeiten (noch) nicht möglich. Die optimierte Geometrie wurde durch die Kombination vom FE-Solver ANSYS mit der Optimierungssoftware Tosca Structure erzeugt.

 

35 Prozent weniger Masse bei gleicher Steifigkeit
Für das betrachtete Werkzeugdesign konnte eine Massenreduktion von 35 Prozent bei ähnlicher Steifigkeit erzielt werden. Zur Auswertung der funktionskritischen Steifigkeit wurde die Öffnung der Werkzeughälften unter der vollen Last berechnet und mit dem bewährten Werkzeugdesign verglichen.
Dank der Erkenntnisse der Optimierung konnten allgemeine Leitlinien für den Konstrukteur bei der Gestaltung des Werkzeugrahmens abgeleitet werden, welche die Anforderungen an Festigkeit und Steifigkeit einhalten. Zum Beispiel wurde festgestellt, dass das herkömmliche Design des Formrahmens im oberen Bereich der Entlüftung zu steif ausgeführt ist und somit Material eingespart werden kann. Allgemein kann von einer erzielten Homogenisierung der Steifigkeit entlang der Werkzeugtrennung gesprochen werden. Die Steifigkeit im optimierten Designvorschlag ist entlang der Werkzeugtrennung besser verteilt. Das Resultat der Optimierung wurde in ein fertigungsgerechtes Werkzeugdesign überführt. Das entwickelte Werkzeugdesign kann spanend hergestellt werden, wobei der Zerspanungsaufwand im Vergleich zu dem herkömmlichen Design ansteigt. Für grössere Stückzahlen sind dann auch alternative Fertigungsverfahren wie Giessen oder Schmieden in Betracht zu ziehen.
 

Weitere Anwendungsfelder
Das wechselwirkende Auftreten von thermischen und mechanischen Lasten in einer Baugruppe ist in der Technik häufig. Sobald die thermischen Lasten einen signifikanten Einfluss auf das mechanische Verhalten zeigen, sind diese in einer Optimierung zu berücksichtigen, nur so kann möglichst viel Optimierungspotenzial ausgeschöpft werden.
Diese Untersuchung wurde im Rahmen der Vertiefungsarbeit während des Masterstudiums an der ZHAW School of Engineering in Zusammenarbeit mit der Firma Bühler AG durchgeführt.

 

Über die Autoren
Sandro Mares ist B. Sc. ZFH in Maschinentechnik, Masterstudent und Wissenschaftlicher Assistent am Zentrum für Produkt- und Prozessentwicklung (ZPP) der ZHAW School of Engineering.
Anton Höller ist Dipl.-Ing. FH, MAS BA ZFH und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Produkt- und Prozessentwicklung (ZPP) der ZHAW School of Engineering.

 

Autoren: Sandro Mares, Anton Höller
Bildquelle: ZHAW
Artikel aus der STZ: Ausgabe September 2020