Batterien made in Switzerland
STZ, April 2023 - Auch die Schweiz könnte schon bald ihre Nische im global umkämpften Batteriemarkt finden: Ein Start-up aus der Ostschweiz will in Domat/Ems eine Gigafactory für Feststoffbatterien errichten.
Eine Gigafactory in der Schweiz? Das klingt angesichts des mit harten Bandagen geführten globalen Wettbewerbs um die Vormachtstellung in der Batterieproduktion erst einmal nach einer Utopie. Und doch könnte diese Vision schon in einigen Jahren Wirklichkeit werden. Ein Start-up aus der Ostschweiz mit dem programmatischen Namen Swiss Clean Battery will in Domat/Ems in grossem Massstab Feststoffbatterien produzieren. Läuft alles nach Plan, soll es Ende 2025 losgehen.
In mehreren Ausbaustufen will Swiss Clean Battery vier Produktionsgebäude errichten. «Wir wollen die Produktion sukzessiv aufbauen », erklärt CEO Roland Jung. Die Fertigungskapazität werde pro Gebäude bei rund 2 GWh/ Jahr liegen. Die Produktionsplanung ist laut Jung bereits weit vorangeschritten: «Wir sind
jetzt in der Detailplanung der Grossserienproduktion. » Lizenzgeberin für die Produktion von Swiss Clean Battery ist deren in Teufen ansässige Schwesterfirma High Performance Battery, die unter Leitung des ehemaligen Fraunhofer-Forschers Prof. Günther Hambitzer in Deutschland eine eigene Feststoffbatterie
entwickelt hat.
Umweltfreundlich und leistungsfähig
Feststoffbatterien stellen eine mögliche Alternative zu den heute gängigen Lithium-Ionen-Akkus dar. Der wesentliche Unterschied:
Während die in den herkömmlichen Batterien eingesetzten Elektrolyte flüssig sind, bestehen sie bei Feststoffbatterien aus festen Materialien. Wissenschaftler, Batteriehersteller und Autobauer in aller Welt forschen mit Hochdruck an dieser Technologie, denn sie verspricht gegenüber den aktuell verfügbaren Batterien Vorteile in Bezug auf Reichweite, Ladezeiten und Brandschutz. Ein weiterer Vorzug ist die längere Haltbarkeit von bis zu 100’000 Ladezyklen. Aufgrund dieser hohen Lebensdauer wären die von Swiss Clean Battery gefertigten Feststoffakkus umweltfreundlicher als heutige Batterien. Sie enthalten zudem kein Kobalt, nur wenig Lithium und lassen sich vergleichsweise einfach recyceln.
Feststoffbatterien sind jedoch schwierig herzustellen, insbesondere das Einbringen des Elektrolyts im festen Aggregatzustand bereitet Probleme im Produktionsprozess. Ein zentrales technisches Problem besteht darin, den Festionenleiter in den Batteriezellen mit den Elektroden in eine stabile Verbindung zu bringen. Viele Batteriekonzepte basieren auf einer Bauweise, bei der die Einzelteile ausserhalb der Zelle kombiniert und anschliessend in das Gehäuse eingeführt werden. Dabei kommt es zu Problemen beim Übergang der Ionen an
den Materialgrenzen zwischen Elektroden und Festionenleiter. Roland Jung sieht hier das Konzept von High Performance Battery technisch im Vorteil. «Wir füllen den Elektrolyt in flüssigem Zustand in die Batteriezelle», erklärt er. Dabei entsteht der Festionenleiter, indem das eingebrachte Material – ähnlich einem Mehrkomponentenkleber – in der Zelle selbst aushärtet. Externe Experten haben die Machbarkeit dieses Konzepts inzwischen bestätigt. Von der Empa sei ein «Daumen hoch» gekommen, berichtet Roland Jung. Ein zweites positives Gutachten einer deutschen Universität liegt ebenfalls bereits vor.
Fokus auf der Kapitalbeschaffung
Schon bald sollen die ersten Vorserien-Zellen produziert werden. Darauf wartet Roland Jung sehnlichst. Denn dann, so hofft der CEO, wird es leichter, das Geld für die Batteriefabrik aufzutreiben. «Unser Fokus liegt jetzt auf der Finanzierung», sagt Jung. Für die erste Ausbaustufe der künftigen Gigafactory braucht Swiss Clean Battery 98 Millionen Franken. Noch ist die Finanzierung nicht in trockenen Tüchern, «aber wir haben einige sehr interessante Partner», sagt Jung. Wer das konkret ist, darf er zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht preisgeben. Es gebe aber sowohl Interessenten, die investieren wollten, als auch potenzielle Kunden, die am Kauf der Akkus aus der Schweiz interessiert seien. «Die Kapitalbeschaffung ist ein Henne-Ei-Problem», berichtet Roland Jung, denn die Investoren erwarten Sicherheit: «Wenn wir die Batterien auf den Tisch stellen können, haben wir keine Sorgen mehr.»
Feststoffbatterien im Auto?
Die Feststoffbatterien, die Swiss Clean Battery in der Schweiz bauen will, zielen vor allem auf industrielle Anwendungen, gleichwohl könnten sie prinzipiell auch in Autos eingesetzt werden. Vorreiter ist der Elektro-Bus Mercedes eCitaro, der schon jetzt mit einer Feststoffbatterie ausgerüstet ist. Personenwagen mit Feststoffbatterie gibt es bisher nicht zu kaufen, doch die Autoindustrie hat grosses Interesse an der Technologie.
VW hat beispielsweise bereits 400 Millionen US-Dollar in die amerikanische Firma Quantumscape investiert, die Lithium-Metall-Festkörperbatterien für den Einsatz in Autos entwickelt. Mercedes-Benz und BMW setzen mit Factorial Energy und Solid Power ebenfalls auf US-Unternehmen. Beide wollen die Feststoffbatterien Ende dieses Jahrzehnts auf die Strasse bringen. Einmal mehr sind die Chinesen schneller – zumindest mit ihren Ankündigungen: Mit dem ET7 will der Autohersteller Nio schon im kommenden Jahr einen Personenwagen mit Feststoffakku in Europa anbieten.
Eine zweite Alternative zu den derzeit verwendeten Lithium-Ionen-Batterien könnten Natrium-Ionen-Batterien darstellen. Sie brauchen weder Kobalt, das häufig unter menschenunwürdigen Bedingungen abgebaut wird, noch teures Lithium. Der chinesische Battriespezialist CATL hat angekündigt, noch in diesem Jahr mit der Produktion von Natrium-Ionen-Batterien für den Einsatz in Fahrzeugen zu starten.
Autor: Hendrik Thielemann
Bildquelle: swisscleanbattery, Auf dem Bild: Peter Koch, CFO, Roland Jung, CEO, Thomas Lützenrath, COO
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