Vorwort

Beat Dobman, Zentralpräsident Swiss Engineering STV

 

Warum Swiss Engineering politisch sein muss

Jahresbericht 2020 - Kennen Sie den Overshoot Day? Das ist jener Tag im Jahr, an dem wir die natürlich nachwachsenden Rohstoffe aufgebraucht haben und unsere Ressourcenschuld zu wachsen anfängt. Global lag dieser Tag 1970 am 29. Dezember. Im Jahr 2000 erreichte die Welt diese Grenze am 23. September, 2020 schon am 22. August.

Die Schweiz erreichte ihn 2020 am 8. Mai. Während fast acht Monaten des Jahres leben wir Schweizer ökologisch auf Pump und akkumulieren eine immense Ressourcenschuld.

Mag sein, dass die Berechnungsweise des Overshoot Day mit kleinen Ungenauigkeiten behaftet ist. Es ist aber unbestritten, dass die Situation dramatisch ist. Unsere Wirtschaftsweise ist langfristig weder national noch global zu rechtfertigen, weil sie unsere Lebensgrundlage übernutzt und irreversibel zerstört.

Technische Lösungen u.a. in den Bereichen Bau, Mobilität, IT und Energie steuern unsere Wirtschaftsweise erheblich. Als Ingenieurverband ist es deshalb eine gesellschaftliche Pflicht und eine Chance, darauf Einfluss zu nehmen.

Es gibt mehrere Stellhebel, die wir nutzen können. Der erste ist die Einflussnahme auf die Gesetzgebung. Als grosser Berufsverband nehmen wir laufend an Vernehmlassungen auf nationaler und kantonaler Ebene teil. Wir kooperieren mit anderen Wirtschaftsverbänden, um unsere Durchsetzungskraft zu erhöhen. Die Unterstützung sachpolitischer Kampagnen vermeiden wir nach Möglichkeit. Der Widerstand ist manchmal finanziell begründet, aber meistens wollen wir uns politisch nicht zuordnen lassen.

Der zweite Hebel sind Technologie und Innovation. Technische Innovationen liefern einen erheblichen Beitrag zur Senkung der Umweltlasten. Denken Sie nur an den Ersatz von FCKW, an den Abgaskatalysator oder an Wärmepumpen. Viele unserer Mitglieder leisten mit ihrer täglichen Arbeit in Technologiefirmen einen grossen Beitrag zu künftigen Innovationen. Swiss Engineering fördert und anerkennt Ideen mit dem Swiss Engineering Award oder mit der Goldenen Turbine.

Und der dritte Hebel sind die Aktivitäten und Anlässe unseres Verbandes. Die UTE und die IFK EMU sensibilisieren die Bevölkerung, regen zum Denken an und werfen Lösungsansätze zu technologischen Themen in die öffentliche Diskussion ein. Am jährlichen Anlass «Tage der Technik» fokussieren wir auf aktuelle Themen wie Smarte Mobilität, Energie, Digitalisierung oder nachhaltiges Bauen. Durch Positionspapiere fördern wir die öffentliche Meinungsbildung. In den vergangenen Jahren waren wir im Bereich Energie aktiv. 2020 haben wir ein Klimapapier veröffentlicht, das weitherum zur Kenntnis genommen wurde. Weitere Papiere werden folgen.

Der Weg zu solchen Papieren ist allerding steinig. Im Verband bin ich wiederholt auf eine ausgeprägte Aversion gegen politische Themen gestossen. Eine diffuse Angst, mit pointierten Stellungsnahmen Mitglieder aus allen politischen Lagern vor den Kopf zu stossen, ist allgegenwärtig.

Ich bin sicher, dass diese Angst unbegründet ist. Solange unsere Argumentation wissenschaftlich fundiert ist und sowohl technische, ökonomische, ökologische als auch soziale Aspekte angemessen berücksichtigt, leisten wir einen wertvollen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung. Unsere Mitglieder wissen sehr wohl zwischen sachlicher Information und Interessenpolitik zu unterscheiden.

Nutzen wir unsere Glaubwürdigkeit, nehmen wir Einfluss auf das politische Geschehen. Machen wir Sachpolitik ohne Parteipolitik. Und liefern wir damit einen Mehrwert für unsere Mitglieder und die Gesellschaft. Das ist letztlich die Daseinsberechtigung unseres Verbandes.

Beat Dobmann, Zentralpräsident Swiss Engineering STV

 

Zürich, Mai 2021