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Zu Ende globalisiert?

STZ, November 2023 - Nach den Erfahrungen der Coronapandemie und vor dem Hintergrund geopolitischer Verwerfungen organisieren sich die weltweiten Produktions- und Lieferketten neu. Führt die Neuausrichtung zu einer weiteren Deindustrialisierung Europas und der Schweiz? Oder bringt der neue Fokus auf Stabilität längst verlorene Industrien zurück?

In wohl kaum einer Frage sind sich Europas Politiker so einig wie in dieser: Die Deindustrialisierung Europas muss unbedingt vermieden werden. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz lässt angesichts «negativer Netto Investitionsströme» keine Gelegenheit aus, für den Standort Deutschland zu werben. Auf der anderen Seite des Rheins tut Emmanuel Macron das Gleiche: Der französische Präsident hat sich die Reindustrialisierung auf die Fahnen geschrieben. Vor allem im Bereich der grünen Technologien will er neue Industrien in Frankreich ansiedeln und so neue Arbeitsplätze schaffen. Und Spanien hat als erste Priorität seiner EU-Ratspräsidentschaft in diesem Jahr die Reindustrialisierung Europas festgelegt. Auch die Spanier setzen dabei auf grüne Technologien: «Der Klimawandel und die Zerstörung der Umwelt sind eine Herausforderung, aber auch eine Chance. Wenn wir unsere Anstrengungen bei der Reindustrialisierung bündeln, ohne den ökologischen Wandel aus den Augen zu verlieren, können wir unsere Abhängigkeit von Energie und Rohstoffen verringern und gleichzeitig werden unsere Unternehmen wettbewerbsfähiger», so die spanische Botschafterin in der Schweiz Celsa Nuño in einem Interview.

Deindustrialisierung längst abgeschlossen?

In der Schweiz gibt man sich – wie so oft – vergleichsweise gelassen. Kein Wunder, denn ein Blick auf die Zahlen gibt nicht unbedingt Anlass zur Sorge. Die Schweiz scheint ihre Deindustrialisierung Ende des vergangenen und Anfang dieses Jahrhunderts bereits abgeschlossen zu haben. Zahlen des Bundesamts für Statistik belegen: Von 2013 bis 2022 ist die Industrieproduktion nominell von 162 auf 199 Milliarden Franken gewachsen. Das entspricht einem Anstieg von insgesamt rund 23 Prozent. Berücksichtigt man die Inflation, bleibt immer noch ein reales Wachstum von gut 10 Prozent. Das Wachstum der Industrieproduktion hielt dabei Schritt mit dem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts der Schweiz. Dieses stieg im gleichen Zeitraum nämlich um 22,3 Prozent nominal und 10,1 Prozent real.

Beim Verband der Schweizer Tech-Industrie Swissmem scheint man die Zahlen zu kennen: «Die Deindustrialisierung der Schweiz fand trotz mehrerer Krisen nicht statt. Im Gegenteil», so Verbandspräsident Martin Hirzel beim Swissmem-Symposium im August letzten Jahres. Tatsächlich seien in den letzten 20 Jahren die industrielle Wertschöpfung und die Produktivität in der Schweiz teils massiv gestiegen. Die Unternehmen hätten sich in den Krisen stets agil, innovativ und anpassungsfähig gezeigt. Hirzel ist überzeugt: «Die Industrie in der Schweiz verfügt über ein enormes Zukunftspotenzial.»

Bringen die globalen Krisen die Industrie zurück?

Gibt es gar einen Trend zur Rückverlagerung der Produktion nach Europa und in die Schweiz? Die Coronapandemie und der Ukraine- Krieg haben die globalen Lieferketten nachhaltig geprägt. Und viele Unternehmen denken darüber nach, ob die Lohnkosten noch das dominierende Kriterium für die Wahl des Produktionsstandortes sind. Das belegt zum Beispiel eine KMU-Studie, welche die damals noch existierende Credit Suisse Anfang dieses Jahres vorgelegt hat: «Auch Schweizer Unternehmen wägen Stabilität und Kosteneffizienz ihrer Wertschöpfungsketten gegeneinander ab und nehmen Anpassungen vor», heisst es in der Studie. Die Umfrage zeigt, dass rund 31 Prozent der befragten Unternehmen in den vergangenen drei Jahren eigene Aktivitäten in die Schweiz zurückverlagert haben.

Die CS-Studie zeigt aber auch: Der Stabilitätsfokus hat seinen Preis. Und Lieferketten robuster zu machen, bedeutet nicht unbedingt die Rückverlagerung der Produktion ins eigene Land. Viele Unternehmen entscheiden sich stattdessen dafür, das Risiko zu streuen. Fast jedes vierte in der CS-Studie befragte KMU hat eine Neuverteilung von eigenen Standorten im Ausland beschlossen.

Von China nach Indien

Kein Wunder, denn Grosskonzerne wie die Internetriesen Google und Apple machen es vor: Im Oktober kündigte Google an, einen Teil seiner Smartphones künftig in Indien zu produzieren. Früher kamen Google-Handys ausschliesslich aus China. Dann kam erst Vietnam als neuer Standort hinzu, nun folgt Indien. «Das ist ein wichtiger Schritt für uns, um unsere Abhängigkeit von China zu verringern», so Sundar Pichai, CEO von Google. Auch Apple produziert seit einiger Zeit in Indien. Immerhin rund sieben Prozent aller iPhones sollen in diesem Jahr vom Subkontinent kommen, dreimal so viel wie im vergangenen Jahr.
 

«Die Deindustrialisierung der Schweiz
fand trotz mehrerer Krisen nicht statt.
Im Gegenteil.»

Swissmem-Präsident Martin Hirzel
 

«Wenn wir mit Unternehmen sprechen und uns die Daten ansehen, sehen wir keine Deglobalisierung», sagt Portfoliomanager Rob Lovelace von der US-amerikanischen Investmentgesellschaft Capital Group. «Mein Eindruck ist vielmehr, dass die globalen Lieferketten neu ausgerichtet werden.» Dabei, so schreibt Lovelace in einem Beitrag auf der Unternehmenswebseite, stiegen viele Unternehmen auf die «China+1»-Strategie um, indem sie ihre Geschäftstätigkeit in China aufrechterhalten und andernorts neue Anlagen hinzufügen. Besonders Indien und Mexiko würden von diesem Trend profitieren. «Indien ist heute wohl besser positioniert als China vor 20 Jahren», so Johnny Chan, Aktienanalyst der Capital Group.

Asiatische Firmen fertigen in Europa

Inzwischen wollen sogar asiatische Firmen in Europa produzieren: Der weltgrösste Halbleiterhersteller TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing Company) gab im August bekannt, im deutschen Dresden eine Halbleiterfabrik bauen zu wollen. Rund 2000 Arbeitsplätze soll die Fabrik nach ihrer Fertigstellung im Jahr 2027 bieten. TSMC will in Dresden vor allem Halbleiter für Automobile herstellen. Während der Coronakrise hatte das Fehlen solcher Chips die Autobranche hart getroffen.

TSMC ist nicht der erste Chiphersteller, der in Ostdeutschland investiert. Und die dortige Ansiedlung von Halbleiter-Produzenten hat keinesfalls nur eine geopolitische Dimension, sondern auch eine industriepolitische. Es fliessen massive Subventionen. Laut «Handelsblatt» erhalten die Taiwaner aus der Staatskasse einen Zustupf von 5 Milliarden Euro. Deutschland ist mit seinen Milliardensubventionen nicht allein. Industriepolitik hat in Europa Tradition. Besonders in Frankreich waren die staatlichen Geldbörsen stets weit geöffnet, wenn es galt, Grossprojekte wie die Concorde oder die Ariane-Rakete zu finanzieren oder «Europäische Industrie-Champions» wie Airbus oder Sanofi zu erschaffen. In der liberalen Schweiz ist die Industriepolitik dagegen ein heisses Eisen, das man besser nur mit der Kneifzange anfasst.

Das war nicht immer so: «Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Die Schweizer Volkswirtschaft war nicht immer so frei von staatlichen Interventionen. Im ausklingenden 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfreute sich die Industriepolitik in Bundesbern grosser Beliebtheit», schreibt der Wirtschaftshistoriker Roman Wild in einem Beitrag für das wirtschaftspolitische Magazin des Seco «Die Volkswirtschaft».

«Brandgefährlicher Subventionswettlauf»

Im gleichen Magazin warnt der Seco-Ressortleiter Wachstum und Wettbewerbspolitik, Ronald Indergand, die Schweiz davor, sich an dem «brandgefährlichen Subventionswettlauf» in Europa und den USA zu beteiligen. Jedenfalls nicht auf der Seite der Zahlenden. Stattdessen, so Indergand, könnten Schweizer Firmen, die in der EU oder in den USA produzieren, direkt von den Subventionen profitieren. Indirekt könnten die Förderungen in Form neuer Aufträge auch Zulieferbetrieben zugutekommen, die in der Schweiz produzierten.

Dass die Subventionen im Ausland Gefahren für die Schweizer Industrie bringt, sieht Indergand kaum: Obwohl die Schweiz mit rund 19 Prozent einen relativ hohen Industrieanteil habe, dürften die betroffenen Branchen hierzulande eher untervertreten sein, schreibt der Seco-Mann. «Somit ist a priori unklar, ob die Schweizer Wirtschaft insgesamt überhaupt negativ betroffen ist oder ob sogar die positiven Effekte überwiegen.» Das Seco hat eine Studie in Auftrag gegeben und will im Lagebericht zur Schweizer Wirtschaft Anfang 2024 eine Einschätzung vornehmen.

 

Autor: Hendrik Thielemann
Bildquellen (oben nach unten): Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich, Meyer Burger

 

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